Das Wichtigste in Kürze

1. Dem polizeilichen oder staatsanwaltschaftlichen EV schließt sich das sog. Eröffnungsverfahren bzw. Zwischenverfahren an.
2. Nach § 202 kann das Gericht "zur besseren Aufklärung der Sache einzelne Beweiserhebungen anordnen".
3. Für das Eröffnungsverfahren von Bedeutung ist die durch das "Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren" v. 29.7.2009 eingefügte Vorschrift des § 202a.
4. Der Verteidiger muss sich bewusst sein, dass in der Praxis Einwendungen/Beweisanträge im Eröffnungsverfahren nur sehr selten Erfolg haben und die Gerichte ihnen meist nicht nachgehen werden.
 

Rdn 2357

 

Literaturhinweise:

Beining, Gerichtliche Beweiserhebung im Zwischenverfahren, HRRS 2016, 407

Eisenberg, Kriterien der Eröffnung des strafprozessualen Hauptverfahrens, JZ 2011, 672

Eschelbach, Von der Eröffnung des Hauptverfahrens durch die Strafkammer, in: Festschrift für Christian Richter II, 2002, S. 113

Gubitz, Der Anwalt als Strafverteidiger im Zwischenverfahren, JA 2007, 369

Krause, Das Zwischenverfahren im Strafprozeß – Mauerblümchen oder verborgener Schatz? Zugleich ein Beitrag zum Diskussionspapier der Regierungskoalition zur Reform des Strafverfahrens, StV 2002, 222

Krekeler, Das Zwischenverfahren in Wirtschaftsstrafsachen aus der Sicht der Verteidigung, wistra 1985, 54

Kretschmer, Begriff und Bedeutung des Beweisantrages außerhalb der Hauptverhandlung, StraFo 2013, 184

Leipold, Bedeutung des Zwischenverfahrens, NJW-Spezial 2006, 231

Soyer/Schumann, Verteidigungsrechte im Vorverfahren – Eine rechtstatsächliche Forschung über Voraussetzungen und Bedingungen einer Effektuierung anwaltlicher Notdienste, StV 2012, 495

Traut/Nickolaus, Ist es (wieder) Zeit für eine Trennung zwischen Eröffnungs- und Tatsachenrichter, StraFo 2012, 51

Vogel, Psychologie im Ermittlungs- und im Zwischenverfahren Oder: von (schl)echter und halber Strafverteidigung, StraFo 2020, 223

s.a. die Hinw. bei → Anklageschrift, Teil A Rdn 573

bei → Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens, Teil E Rdn 2231

und bei → Eröffnungsbeschluss, Teil E Rdn 2332.

 

Rdn 2358

1. Dem polizeilichen oder staatsanwaltschaftlichen EV schließt sich das sog. Eröffnungsverfahren an. In diesem Zwischenverfahren prüft und entscheidet das Gericht mit dem → Eröffnungsbeschluss, Teil E Rdn 2332, darüber, ob das Hauptverfahren zu eröffnen ist (krit. zur Praxis des Eröffnungsverfahrens Eschelbach, S. 113 ff.; zur Verteidigung im Zwischenverfahren Wehnert, in: MAH § 5). Im Eröffnungsbeschluss (§ 207) wird die Anklage zur HV zugelassen. Dadurch tritt Rechtshängigkeit ein und der Prozessstoff wird in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht abgegrenzt und das Thema des Hauptverfahrens bestimmt (Meyer-Goßner/Schmitt, Einl. Rn 63).

 

Rdn 2359

2.a) Nach § 202 kann das Gericht "zur besseren Aufklärung der Sache einzelne Beweiserhebungen anordnen". Es besteht aber keine Pflicht nach § 202, durch eigene (umfangreiche) Ermittlungen im Zwischenverfahren die Grundlage für den für die Eröffnung erforderlichen hinreichenden Tatverdacht erst zu schaffen. Nach dem Wortlaut stehen Ermittlungen im Zwischenverfahren im Ermessen des Gerichts. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den in § 202 genannten Beweiserhebungen nur um solche zur einzelnen Ergänzung oder Überprüfung eines im EV grds. bereits aufgeklärten Sachverhalts handelt. Für Ermittlungen ist dann kein Raum, wenn erst durch eine Ermittlungsanordnung des Gerichts ein hinreichender Tatverdacht geschaffen werden muss (Meyer-Goßner/Schmitt, § 202 Rn 1; KK-Schneider, § 202 Rn 2; Radtke/Hohmann/Reinhart, § 202 Rn 1; eingehend a. Beining HRRS 2016, 407 f.; OLG Celle StV 2012, 456, 457 m. Anm. Hunsmann StRR 2011, 388; OLG Karlsruhe StV 2004, 325; Beschl. v. 28.11.2017 – 2 Ws 238/17; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2009, 88; OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.8.2016 – 4 Ws 282/15, StraFo 2016, 393; Beschl. v. 31.10.2019 – 2 Ws 60/19; LG Berlin NStZ 2003, 504; AG Gummersbach StV 2015, 16). Ermittlungen größeren Umfangs zur Komplettierung eines von der StA unzulänglich belegten Anklagevorwurfs sind angesichts der strukturellen Aufgabenverteilung zwischen StA und Gericht gesetzlich nicht vorgesehen. Allerdings steht der Umstand, dass einer einzelnen Beweiserhebung "entscheidende Bedeutung" zukommt, deren Anordnung nicht entgegen, "sondern gebietet sie geradezu" (KG, Beschl. v. 19.10.2020 – 4 Ws 61/20).

 

☆ Wenn das Gericht im Zwischenverfahren Beweise erhebt, kann dies die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn die Beweisaufnahme unzulässig ist oder wenn nicht lediglich ergänzend Beweis erhoben wird, sondern so umfangreich, dass der Eindruck entsteht, das Gericht wolle um jedem Preis verurteilen. (RGSt 65, 322; LR- Stuckenberg , § 202 Rn 21; Beining HRRS 2016, 406, 409).Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn die Beweisaufnahme unzulässig ist oder wenn nicht lediglich ergänzend Beweis erhoben wird, sondern so umfangreich, dass der Eindruck entsteht, das Gericht wolle um jedem Preis verurteilen. (RGSt 65, 322; LR-Stuckenberg, § 20...

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