Leitsatz

Das Alles-oder-Nichts-Prinzips gilt im Versicherungsrecht nach der Versicherungsrechtsreform 2008 nicht mehr. Es geht um die Frage, wann es dennoch möglich ist, dass Versicherungen bei grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers vollständig von ihrer Leistungspflicht befreit werden. Aufgrund einer AGB sah ein Versicherungsnehmer einen totalen Leistungsausfall als unzulässig an.

 

Sachverhalt

Eine Leistungskürzung ist nicht mehr so leicht möglich, seitdem das Alles-oder-Nichts-Prinzip seit 2008 nicht mehr gilt. Im Urteilsfall ging es darum, dass ein klagender Kfz-Versicherer seinen Versicherungsnehmer in Regress genommen hat, nachdem er für ihn anlässlich einer Trunkenheitsfahrt im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit (= 2,0 Promille) den Schaden reguliert hatte.

Dem Versicherungsverhältnis liegen die Versicherungsbedingungen AKB 2008 D.2.1 zugrunde. Sie besagen: "Verletzen Sie vorsätzlich eine Ihrer in D.1 und D.2 geregelten Pflichten, haben Sie keinen Versicherungsschutz. Verletzen Sie Ihre Pflichten grob fahrlässig, sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen." Der beklagte Autofahrer hatte argumentiert, § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG bedeute, dass eine Leistungskürzung auf null ausgeschlossen sei. Deshalb müsse er für den Schaden nicht komplett einstehen. Zudem seien die Bestimmungen in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen in D.3.1 intransparent.

Der BGH hat noch einmal bestätigt, dass es durchaus möglich ist, dass ein Versicherer eine Leistung vollständig versagt.

Er verwies dabei auf das Urteil v. 22. 6. 2011, IV ZR 225/10, in dem eine Leistungskürzung auf null in Ausnahmefällen möglich ist. Dort hatte der BGH entschieden, dass die in § 81 Abs. 2 VVG geregelte Rechtsfolge, wonach der Versicherer berechtigt ist, "seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen", einer vollständigen Versagung der Leistung in Ausnahmefällen nicht entgegenstehen darf.

Weder der Wortlaut der Norm noch dessen Entstehungsgeschichte schließen laut BGH eine Leistungskürzung auf null aus. Den Einwand des Beklagten, die vertraglichen Regelungen in den Versicherungsbedingungen seien wegen mangelnder Transparenz nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, ließen die Richter nicht gelten. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne den Bestimmungen entnehmen, dass eine Leistungskürzung auf null in Fällen grober Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 11. 1. 2012, IV ZR 251/10.

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