I. Allgemeine Wirksamkeit

 

Rz. 188

Ist das Grundstück vor der Beschlagnahme bereits einem Mieter oder Pächter überlassen, ist der Miet- oder Pachtvertrag dem Verwalter gegenüber wirksam (§ 152 Abs. 2 ZVG). Es wird angenommen,[153] dass es bereits genügt, wenn der künftige Mieter tatsächlich zur Besitzergreifung in der Lage war, weil er z.B. schon die Schlüssel (zur Renovierung vor dem Einzug) hatte. Eine rein formale Übergabe in einem Protokoll genügt aber nicht, da die Besitzergreifung tatsächlich erfolgen muss. Hatte der Schuldner nur einen Miet- oder Pachtvertrag abgeschlossen, ohne vor der Beschlagnahme den Besitz zu erlangen, muss der Verwalter den Vertrag nicht erfüllen (durch Einräumung des Besitzes). Er kann ihn aber natürlich erfüllen, wenn ihm dies wirtschaftlich sinnvoll erscheint.

 

Rz. 189

Eine Besitzübergabe nach Beschlagnahme wirkt auch dann nicht gegen den Verwalter, wenn der Mieter die Beschlagnahme (bzw. den Antrag auf Anordnung der Zwangsverwaltung) nicht kannte. Der Besitz wird nicht durch Rechtsgeschäft übertragen,[154] sondern vom neuen Besitzer (Mieter) mit Zustimmung des bisherigen Besitzers (Schuldners) ergriffen. Auf diesen Realakt finden die Regeln für Rechtsgeschäfte keine Anwendung.

[153] So z.B. LG Osnabrück KTS 1977, 127.
[154] So wenigstens MüKo-Joost, § 854 Rn 27 und 32.

II. Beschlagnahme erfasst die Miete/Pacht

1. Miete/Pacht und der Haftungsverband

 

Rz. 190

Miete und Pacht gehören zum Haftungsverband der Hypothek (§ 1123 Abs. 1 BGB) und werden somit durch die Zwangsverwaltung beschlagnahmt (§ 20 Abs. 2 ZVG), soweit sie noch dem Haftungsverband unterstellt sind. Es ist für diese Wirkung gleichgültig, ob die Beschlagnahme zugunsten eines Grundpfandrechtes oder durch einen persönlichen Gläubiger erfolgte.

 

Rz. 191

Miet- und Pachtzinsen können nicht mehr beschlagnahmt werden, wenn sie aus der Hypothekenhaftung ausgeschieden sind. Grundsätzlich scheiden Miet- und Pachtzinsen wie folgt aus der Hypothekenhaftung aus:

a) indem sie der Eigentümer vor der Beschlagnahme (!) einzieht (§ 1124 BGB). Dies bedeutet nicht nur Zahlung seitens des Mieters/Pächters, sondern jedes zulässige Erfüllungssurrogat;[155]
b) durch eine ein Jahr oder länger zurückliegende Fälligkeit (§ 1123 Abs. 2 BGB), wenn die fällige Forderung noch nicht gemäß Ziff. a) "eingezogen" ist;
c) für den in § 1123 Abs. 2 BGB genannten Fälligkeitszeitraum nach Beschlagnahme, wenn die Leistung im Voraus fällig wird und noch nicht "eingezogen" ist;
d) durch eine Vorausverfügung über diese Leistungen, auch im Wege der Zwangsvollstreckung;
e) durch Trennung von Miet-/Pachtforderung und Eigentum, sei es durch Zession der Miet-/Pachtforderung (§ 1124 Abs. 2 BGB) oder Veräußerung des Grundstücks ohne Miet-/Pachtforderung.
[155] Einzelheiten HWFH, § 8 ZwVwV Rn 6.

2. Wirkung gegen die Zwangsverwaltung

 

Rz. 192

Zieht der Schuldner nach der Beschlagnahme Miete von einem gegenüber der Beschlagnahme gutgläubigen Mieter ein, soll auch hierdurch die Beschlagnahme erlöschen.[156] Dieser Auffassung wird nicht gefolgt. Zutreffend ist nur, dass der gutgläubige Mieter frei wird (§§ 22 Abs. 2 S. 2, 146 ZVG). Dies betrifft aber nur das Rechtsverhältnis Schuldner – Mieter (siehe § 1 Rn 207 ff.), nicht das Rechtsverhältnis Gläubiger – Schuldner (= Beschlagnahme). Das später gezahlte Geld war zum Zeitpunkt der Beschlagnahme "Miete".[157] Die später eingezogene Forderung war somit verhaftet und wurde vor der Beschlagnahme nicht nach § 1124 BGB haftungsfrei, bleibt also beschlagnahmt. Der Einzug (Umwandlung der Forderung in Geld) kann die Beschlagnahme des hierfür erlangten Geldes nicht berühren. Der Anspruch des Verwalters gegen den Schuldner oder Dritten auf Herausgabe des Geldes beruht auf seinem Verwaltungsrecht. Die Pflicht des Verwalters, das so erlangte Geld nach § 155 ZVG zu verwenden, setzt den Fortbestand der Beschlagnahme voraus.

 

Rz. 193

Die Regeln der §§ 1123 und 1124 BGB sind der Vorschrift § 566b BGB nachgebildet, welche für den Fall der Veräußerung des Grundstücks gilt.

 

Rz. 194

Ist die Mietforderung nach Ziff. a) (siehe § 1 Rn 191) aus der Hypothekenhaftung ausgeschieden, ist dies dem Verwalter gegenüber wirksam. Der Schuldner ist daher nicht verpflichtet, einen solchen bereits eingezogenen Betrag an den Verwalter herauszugeben.

Für die Fälle b) und c) (siehe § 1 Rn 191) bedarf es einer Erläuterung durch Beispiele:

 

Rz. 195

 

Beispiel zu b)

Die Miete ist monatlich nachträglich fällig und seit dem 1.4.2012 rückständig. Die Beschlagnahme erfolgte am 15.10.2013. Aus der Hypothekenhaftung ausgeschieden und somit auch nicht mehr beschlagnahmt ist die Miete, deren Fälligkeit länger als ein Jahr zurückliegt, also die Miete, die am 14.10.2012 oder früher fällig wurde, somit die Miete für April bis September 2012.

Diese Miete darf der Eigentümer einziehen;[158] die Miete ab Oktober 2012 zieht der Verwalter ein.

 

Rz. 196

 

Beispiel zu c)

Die Miete ist vierteljährlich im Voraus fällig, somit am 1.4. für die Monate April bis Juni, und wurde auch bezahlt. Die Beschlagnahme erfolgte am 18.4. Aus der Hypothekenhaftung ausgeschieden und somit nicht beschlagnahmt ist die Miete für April und Mai; jene für Juni ist bes...

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