Leitsatz

Geschiedene Eltern übten die elterliche Sorge für ihr minderjähriges Kind gemeinsam aus und stritten sich darüber, ob und in welchem Umfang das Kind geimpft werden sollte. Eine außergerichtliche Einigung zwischen ihnen war nicht möglich, so dass eine Entscheidung des FamG hierüber herbeigeführt werden musste.

 

Sachverhalt

Geschiedene Eltern eines minderjährigen Kindes übten die elterliche Sorge gemeinsam aus. Der Mutter war lediglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen worden. Die Eltern stritten sich darüber, ob und in welchem Umfang das Kind geimpft werden sollte. Der Vater befürwortete einen umfassenden Impfschutz gem. den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts. Die Mutter lehnte dies ab und vertrat die Auffassung, die Nebenwirkungen der Impfungen seien gravierender als die Vorteile eines Impfschutzes. Aus ihrer Sicht bestand keine Notwendigkeit, das Kind gegen die von dem Vater angeführten Krankheiten zu impfen, da diese nur im Erwachsenenalter bedrohlich werden könnten und im Übrigen selten aufträten.

Das von dem Vater angerufene FamG hat ihm gem. § 1628 BGB das Entscheidungsrecht über die Durchführung von Impfungen übertragen.

Hiergegen wandte sich die Mutter mit ihrer Beschwerde, die nicht erfolgreich war.

 

Entscheidung

Das KG wies die Beschwerde der Mutter als unbegründet zurück und folgte der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, wonach dem Vater gem. § 1628 BGB das Entscheidungsrecht über die Durchführung von Impfungen zu übertragen war.

§ 1628 BGB ermächtige die Gerichte unter Wahrung des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG dazu, zur Herbeiführung einer notwendigen Entscheidung bei Uneinigkeit der Eltern einem Elternteil die Entscheidungskompetenz zu übertragen. Für die Entscheidung sei gem. § 1697a BGB maßgebend, welcher Elternteil am ehesten geeignet sei, eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu treffen.

Medizinische Eingriffe und Behandlungen - mit Ausnahme von Routineuntersuchungen und der Behandlung nicht ungewöhnlicher Erkrankungen wie Erkältungen oder gewöhnlicher Kinderkrankheiten - seien Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind, die nicht vom Alleinentscheidungsrecht nach § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB umfasst seien. Für diese Entscheidungen von erheblicher Bedeutung sei nach § 1687 Abs. 1 S. 1 BGB das Einvernehmen der Eltern erforderlich. Komme dies nicht zustande, so sei das Entscheidungsrecht gem. § 1628 BGB auf Antrag einem Elternteil allein zu übertragen. Im konkreten Fall entspreche die Übertragung der Entscheidungsbefugnis über die Durchführung von Impfungen auf den Vater dem Kindeswohl am besten. Er habe in dieser Frage eine eindeutige Haltung und in der Vergangenheit immer wieder auf einer Klärung der Impfproblematik bestanden. Die Mutter hingegen vertrete eine eher schwankende und widersprüchliche Haltung.

Die von ihr geäußerte Befürchtung, durch die von dem Vater befürworteten Impfungen könne eine Gesundheitsgefährdung des Kindes eintreten, teilte das Gericht nicht. Es sei auch nicht erkennbar, dass diese Befürchtungen sich auf konkrete Anhaltspunkte bezögen.

Im Interesse des minderjährigen Kindes müsse eine eindeutige klare Regelung bestehen, zumal zu befürchten sei, dass eine Fortsetzung des Streits um die Impfungen und die Einhaltung eines Impfplanes für das Kindeswohl abträglich sei.

 

Hinweis

Sowohl das erstinstanzliche Gericht als auch das KG haben in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 11.5.2005 - XII ZB 33/04 = FamRZ 2005, 1167 = FamRB 2006, 259) den geringstmöglichen Eingriff in die Sorgebefugnis der Mutter und damit deren Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG gewählt. Dies mit der Folge, dass eine erneute Entscheidung des FamG herbeigeführt werden müsste, wenn sich im Falle einer ernsthaften Erkrankung des Kindes ähnliche Differenzen der Eltern zeigen würden wie hinsichtlich der Impfproblematik.

Eine erneute Anrufung des FamG könnte nur bei Übertragung des Rechts der Gesundheitsfürsorge auf einen Elternteil allein vermieden werden, der dann nicht nur über den aktuellen Streitpunkt, sondern auch über künftig auftauchende Fragen der medizinischen Versorgung des Kindes alleine entscheiden könnte.

 

Link zur Entscheidung

KG Berlin, Beschluss vom 18.05.2005, 13 UF 12/05

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