Wird keine Rechtswahl getroffen (fehlende Rechtswahlvereinbarung), so bestehen im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit des anzuwendenden Rechts mit den tatsächlichen Lebensumständen des Ehepaares harmonisierte Kollisionsnormen, die sich auf eine Rangfolge der Anknüpfungspunkte (Anknüpfungskaskade)[390] stützen, anhand deren sich das auf das gesamte Vermögen der Ehegatten anzuwendende Recht bestimmen lässt[391] (objektive Anknüpfung):[392]

Der erste gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten kurz nach der Eheschließung ist erster Anknüpfungspunkt noch vor der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung.
Ist keiner dieser Anknüpfungspunkte gegeben oder liegen Fälle vor, in denen bei Fehlen eines ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts die Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung jeweils eine doppelte gemeinsame Staatsangehörigkeit haben, wird an das Recht des Staates angeknüpft, zu dem die Ehegatten die engste Verbindung haben, wobei dabei alle Umstände zu berücksichtigen sind und für diese Verbindung der Zeitpunkt der Eheschließung maßgebend ist.[393]

In Bezug auf eingetragene Partnerschaften bestimmt Erwägungsgrund Nr. 48 der EuPartGüVO dass, wenn keine Rechtswahl getroffen wird, diese VO im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit des anzuwendenden Rechts mit den tatsächlichen Lebensumständen des Paares vorsehen soll, dass auf die güterrechtlichen Wirkungen einer eingetragenen Partnerschaft das Recht des Staates anzuwenden ist, nach dessen Recht die verbindliche Eintragung zur Begründung der Partnerschaft vorgenommen wurde.

[390] Dazu näher BeckOK-BGB/Wiedemann, Art. 26 EuGüVO Rn 2 ff.
[391] Erwägungsgrund Nr. 49 der EuEheGüVO.
[392] MüKo-BGB/Looschelders, EuGüVO Rn 79 ff.
[393] Erwägungsgrund Nr. 49 der EuEheGüVO.

7.3.1 Anknüpfung nach Art. 26 EuEheGüVO/EuPartGüVO

Die EuEheGüVO unterscheidet sich von der EuPartGüVO in Bezug auf die Anknüpfungsleiter bei der Bestimmung des mangels Rechtswahl anzuwendenden Rechts.

Wird keine Rechtswahlvereinbarung getroffen (mangels Rechtswahlvereinbarung nach Art. 22 der EuEheGüVO), unterliegt der eheliche Güterstand gemäß Art. 26 Abs. 1 EuEheGüVO in Bezug auf das gesamte Vermögen im Zuge einer objektiven Anknüpfung nach der Konzeption einer Anknüpfungsleiter (wie ex Art. 15 Abs. 1 iVm Art. 14 Abs. 1 EGBGB alt) primär folgendem Recht:

Dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten nach der Eheschließung ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt (ohne Vorgabe einer Mindestverweildauer) begründet haben (Art. 26 Abs. 1 Buchst. a EuEheGüVO[394] – erster gemeinsamer gewöhnliche Aufenthalt als erster Anknüpfungspunkt – entsprechend Art. 4 Abs. 1 des Haager Übereinkommens über das auf den Güterstand anwendbare Recht).[395]

Damit tritt das vormals im EGBGB vorrangige Staatsangehörigkeitsprinzip im europäischen Güterrecht hinter das Aufenthaltsprinzip zurück.[396] Der Begriff "gewöhnlicher Aufenthalt" ist nicht definiert – sondern autonom auszulegen (vergleichbar der EuGH-Rechtsprechung zur Brüssel II a-VO) als gemeinsamer tatsächlicher (gewöhnlicher) Lebensmittelpunkt, der nach Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts sowie zusätzlich über die Integration in das soziale Umfeld zu bestimmen ist (ggf. auch durch Heranziehung der Umstände des Aufenthalts sowie der Staatsangehörigkeit).[397]

Im Unterschied zu Art. 8 a EheVO, der gleichermaßen auf den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten abstellt, dessen Anknüpfungszielpunkt aber die Anrufung des Gerichts ist, stellt Art. 26 Abs. 1 Buchst. a EuEheGüVO auf den "Zeitpunkt der Eheschließung" ab.[398] Die solcherart begründete zeitliche Anknüpfung bereitet dann Probleme, wenn der erste gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt nicht unmittelbar nach der Eheschließung begründet wird.[399] Notwendig ist (aus Gründen der Rechtssicherheit) allerdings eine Begründung in "eine(r) gewisse(n) zeitliche(n) Nähe zur Eheschließung".[400]

Oder andernfalls (subsidiär, falls kein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt iSv Buchst. a begründet wurde) nach dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung besitzen (Art. 26 Abs. 1 Buchst. b EuEheGüVO[401] – gemeinsame Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung erst als zweiter Anknüpfungspunkt).

Nach Looschelders[402] soll es darauf ankommen, dass die Staatsangehörigkeit bei einem Doppel- oder Mehrstaater effektiv ist.

Beachte: Staatenlose und Flüchtlinge haben keine Regelung in den VOen erfahren – bei ihnen soll an die Stelle der Staatsangehörigkeit der "Wohnsitz"[403] oder der "gewöhnliche Aufenthalt"[404] treten.[405]

Oder andernfalls (wenn keiner der beiden genannten Anknüpfungspunkte nach Buchst. a oder b bzw. ein Fall vorliegt, in dem beim Fehlen eines ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts die Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung jeweils eine doppelte gemeinsame Staatsangehörigkeit haben)[406] nach dem Recht des Staates, mit dem die Ehegatten unter Berücksichtigung alle...

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