Ist kein Gericht eines Mitgliedstaats nach den Art. 4 (unter 6.1), Art. 5 (6.2), Art. 6 (6.3), Art. 7 (6.4), Art. 8 (6.5) oder Art. 10 der VOen (6.7) zuständig oder haben sich alle Gerichte nach Art. 9 der VOen (6.8) für unzuständig erklärt und ist kein Gericht eines Mitgliedstaats nach

Art. 9 Abs. 2 und Art. 10 EuEheGüVO (in Bezug auf Ehegatten) bzw.
Art. 6 Buchst. e, Art. 7, Art. 8 oder Art. 10 EuPartGüVO (in Bezug auf eingetragene Partnerschaften)

zuständig[241], so können die Gerichte eines Mitgliedstaats gemäß Art. 11 Unterabs. 1 der VOen "ausnahmsweise" iS einer Notzuständigkeit über den ehelichen Güterstand/die güterrechtlichen Wirkungen der eingetragenen Partnerschaft entscheiden (Ermessensentscheidung),[242] wenn es

nicht zumutbar ist oder es
sich als unmöglich erweist,[243]

ein Verfahren in einem Drittstaat, zu dem die Sache einen engen Bezug aufweist, einzuleiten oder zu führen (Konstellation, in der ein güterrechtlicher Sachverhalt einen engeren Bezug zu einem Drittstaat aufweist, ohne dass ein Gericht eines Mitgliedstaats zuständig ist):[244] umfassende Entscheidungsbefugnis.[245]

Die Sache muss nach Art. 11 Unterabs. 2 der VOen einen "ausreichenden Bezug"[246] zu dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts haben. Ein "ausreichender Bezug" kann sich vor allem aus solchen Kriterien ergeben, "die für sich genommen nicht geeignet sind, eine Zuständigkeit nach Art. 6 (EuEheGüVO) zu begründen"[247] (bspw.[248] die Staatsangehörigkeit eines [nicht beider] Ehegatten oder der gewöhnliche Aufenthalt des Antragstellers).[249] Die Regelung will (wie die Vergleichsregelungen in Art. 11 EuErbVO bzw. Art. 7 EuUnthVO zwecks Gewährleistung der verfahrensrechtlichen Garantien nach Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 EuGrCh, Justizgewährungsanspruch)[250] nach Erwägungsgrund Nr. 41 der EuEheGüVO respektive Erwägungsgrund Nr. 40 der EuPartGüVO insbesondere Fällen von Rechtsverweigerung begegnen, indem ein Gericht eines Mitgliedstaats in besonderen Ausnahmefällen über einen ehelichen Güterstand entscheiden kann, der einen engen Bezug zu einem Drittstaat aufweist: "Ein solcher Ausnahmefall könnte gegeben sein, wenn sich ein Verfahren in dem betreffenden Drittstaat als unmöglich erweist, beispielsweise wegen eines Bürgerkriegs, oder wenn von einem Ehegatten/Partner vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, dass er ein Verfahren in diesem Staat einleitet oder führt. Die Zuständigkeit, die auf forum necessitatis gründet, sollte jedoch nur ausgeübt werden, wenn die Sache eine ausreichende Verbindung zu dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts aufweist".[251]

[241] Zum Erfordernis, dass keine anderweitige Zuständigkeit eines Mitgliedstaats nach der EuEheGüVO besteht: NK-BGB/Makowsky, Art. 11 EuGüVO/EuPartVO Rn 2.
[242] Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht, B Rn 172.
[243] Zur Unzumutbarkeit oder zur Unmöglichkeit eines Verfahrens in einem Drittstaat mit engem Bezug: Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht, B Rn 170; NK-BGB/Makowsky, Art. 11 EuGüVO/EuPartVO Rn 3 ff.
[244] MüKo-BGB/Looschelders, EuGüVO Rn 62.
[245] NK-BGB/Makowsky, Art. 11 EuGüVO/EuPartVO Rn 7 f.
[246] Zum "ausreichenden Bezug": Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht, B Rn 171; NK-BGB/Makowsky, Art. 11 EuGüVO/EuPartVO Rn 6.
[247] MüKo-BGB/Looschelders, EuGüVO Rn 62.
[248] Kroll-Ludwigs in Rauscher, Einf. EU-EhegüterVO-E Rn 62 f.
[249] MüKo-BGB/Looschelders, EuGüVO Rn 63.
[250] Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht, B Rn 164; MüKo-BGB/Looschelders, EuGüVO Rn 62; Kroll-Ludwigs in Rauscher, Einf. EU-EhegüterVO-E Rn 40.
[251] Erwägungsgrund Nr. 41 der EuEheGüVO und Erwägungsgrund Nr. 40 der EuPartGüVO.

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