Wenn ein Gericht eines Mitgliedstaats, das nach Art. 4 der VOen (unter 6.1), Art. 6 EuEheGüVO bzw. Art. 6 Buchst. a, b, c oder d EuPartGüVO (6.3) – bzw., allerdings nur in Bezug auf Ehegatten, auch Art. 7 EuEheGüVO (6.4) oder Art. 8 EuEheGüVO (6.5) – zuständig ist[227], feststellt, dass

nach seinem eigenen IPR die streitgegenständliche Ehe (lex fori) für die Zwecke eines Verfahrens über den ehelichen Güterstand nicht anerkannt wird[228] (bspw. weil das IPR eines Mitgliedstaats keine Regeln über die Anknüpfung der güterrechtlichen Wirkungen einer gleichgeschlechtlichen Ehe enthält),[229]
(bzw. in Bezug auf eingetragene Partnerschaften) seine Rechtsordnung das Rechtsinstitut der eingetragenen Partnerschaft nicht vorsieht,

kann es sich nach Art. 9 Abs. 1 S. 1 der VOen ausnahmsweise für unzuständig erklären (Unzuständigerklärung).[230] Beschließt das Gericht, sich für unzuständig zu erklären, so tut es das gemäß Art. 9 Abs. 1 S. 2 der VOen "unverzüglich" ("um der betroffenen Partei die Verwirklichung ihres güterrechtlichen Anspruchs nicht übermäßig zu erschweren").[231]

Für einen solchen Fall merkt Erwägungsgrund Nr. 38 der EuEheGüVO (Staaten, die "nach ihrem Internationalen Privatrecht die betreffende Ehe für die Zwecke eines Verfahrens über den ehelichen Güterstand nicht" anerkennen) respektive Erwägungsgrund Nr. 36 der EuPartGüVO ("da nicht alle Mitgliedstaaten das Institut der eingetragenen Partnerschaft kennen") an, dass es ausnahmsweise erforderlich sei, die durch die EuEheGüVO begründete Zuständigkeit abzulehnen: "Die Gerichte sollten rasch handeln und die betroffene Partei sollte die Möglichkeit haben, die Rechtssache in jedem anderen Mitgliedstaat, dessen gerichtliche Zuständigkeit aufgrund eines Anknüpfungspunktes begründet ist, anhängig zu machen, wobei es nicht auf die Rangfolge der Zuständigkeitskriterien ankommt und zugleich die Parteiautonomie zu wahren ist. Jedes nach einer Unzuständigkeitserklärung angerufene Gericht, das nicht ein Gericht des Mitgliedstaats ist, in dem die Ehe geschlossen wurde, darf sich unter denselben Bedingungen ebenfalls ausnahmsweise für unzuständig erklären. Eine Kombination der verschiedenen Zuständigkeitsregeln sollte jedoch gewährleisten, dass die Parteien jede Möglichkeit haben, ein Gericht eines Mitgliedstaats anzurufen, das sich zu dem Zweck, ihrem ehelichen Güterstand Wirkung zu verleihen, für zuständig erklärt".[232] Bzw., "um der Gefahr einer Rechtsverweigerung vorzubeugen".[233]

Erklärt sich ein Gericht, das

nach Art. 4 EuEheGüVO (unter 6.1) oder Art. 6 EuEheGüVO (6.3) zuständig ist,
in Art. 9 Abs. 1 EuPartGüVO genannt wird (d. h., das nach Art. 4, Art. 5 oder Art. 6 Buchst. a, b, c oder d EuPartGüVO zuständig ist,

für unzuständig und vereinbaren die Parteien, die Zuständigkeit den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nach Art. 7 der VOen (6.4) zu übertragen, so sind die Gerichte dieses anderen Mitgliedstaats nach Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 1 der VOen für Entscheidungen über den ehelichen Güterstand/die güterrechtlichen Wirkungen der eingetragenen Partnerschaft zuständig (alternative Zuständigkeit/Ersatzzuständigkeit).[234]

In anderen Fällen sind für Entscheidungen über den ehelichen Güterstand/die güterrechtlichen Wirkungen einer eingetragenen Partnerschaft nach

Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 2 EuEheGüVO die Gerichte
  • eines anderen Mitgliedstaats nach Art. 6 EuEheGüVO (6.3) oder Art. 8 EuEheGüVO (6.5) oder die Gerichte
  • des Mitgliedstaats zuständig, in dem die Ehe geschlossen wurde, bzw. nach
Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 2 EuPartGüVO die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats nach Art. 6 EuPartGüVO (6.3) oder Art. 8 EuPartGüVO (6.5).

Art. 9 der VOen findet nach der Klarstellung in seinem Abs. 3 keine Anwendung, wenn die Parteien eine Ehescheidung, eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder eine Ungültigerklärung der Ehe/Auflösung oder Ungültigerklärung der eingetragenen Partnerschaft erwirkt haben, die im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts anerkannt werden kann.[235]

Die Intention des Art. 9 EuEheGüVO geht dahin, Mitgliedstaaten, die aus prinzipiellen Erwägungen gleichgeschlechtliche Ehen nicht anerkennen, eine Teilnahme am Regime der EuEheGüVO zu erleichtern[236]: Solche Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, im Falle einer gleichgeschlechtlichen Ehe ein güterrechtliches Verfahren durchzuführen.

[227] Dazu näher NK-BGB/Makowsky, Art. 9 EuGüVO/EuPartVO Rn 4 ff.
[228] Zum Erfordernis, dass die konkrete Ehe nach dem inländischen IPR nicht anerkennungsfähig ist: NK-BGB/Makowsky, Art. 9 EuGüVO/EuPartVO Rn 7.
[229] MüKo-BGB/Looschelders, EuGüVO Rn 59 unter Bezugnahme auf Dengel, aaO, S. 308 f: womit die Ehegatten (wenn es bei der Zuständigkeit des Gerichts bliebe) Gefahr laufen, "ihre güterrechtlichen Ansprüche nicht verwirklichen zu können".
[230] Dazu näher Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht, B Rn 152 ff; NK-BGB/Makowsky, Art. 9 EuGüVO/EuPartVO Rn 10.
[231] MüKo-BGB/Looschelders, EuGüVO Rn 59.
[232] Erwägungsgrund Nr. 38 zur EuEheGüVO.
[233] Erwäg...

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