Rz. 89

Typisch für die Gestaltung von Ehegattentestamenten ist, dass Ehegatten sich gegenseitig zu Erben einsetzen und der Nachlass erst nach dem Tod des Letztversterbenden auf einen oder mehrere Dritte (regelmäßig die gemeinsamen Kinder) übergehen soll. Für derartige Gestaltungen ist der Begriff "Berliner Testament" gebräuchlich. Hier bestehen zwei Gestaltungsmöglichkeiten:

 

Rz. 90

Bei der sog. Trennungslösung[74] setzen sich Ehegatten gegenseitig zu Vorerben ein und berufen den Dritten (regelmäßig die gemeinsamen Kinder) zum jeweiligen Nacherben. Außerdem wird der Dritte zum Erben des überlebenden Ehegatten eingesetzt. In diesem Fall erhält der Dritte den Nachlass beider Ehegatten aus zwei verschiedenen Berufungsgründen, nämlich den Nachlass des erstversterbenden Ehegatten als dessen Nacherbe und den Nachlass des überlebenden Ehegatten als dessen unmittelbarer Erbe. Diese Gestaltung führt dazu, dass die beiden Nachlässe rechtlich getrennt sind. Nachteil dieser Lösung ist, dass der überlebende Ehegatte nur Vorerbe des erstverstorbenen Ehegatten ist. Selbst wenn er als befreiter Vorerbe berufen wird, unterliegt er den Beschränkungen durch die Vor- und Nacherbfolge und kann insbesondere über den Nachlass nicht unentgeltlich verfügen. Daraus folgt eine nicht unerhebliche Einschränkung des überlebenden Ehegatten. Die Trennungslösung bietet auch keinen erbschaftsteuerlichen Vorteil, da der der Nacherbfolge unterliegende Nachlass sowohl beim Vorerben als auch beim Nacherben versteuert werden muss (§ 6 ErbStG).

 

Rz. 91

Anders als bei der Trennungslösung wird bei der sog. Einheitslösung[75] keine Trennung der beiden Nachlässe erreicht. Bei der Einheitslösung setzen sich die Ehegatten gegenseitig zu unbeschränkten Erben (Vollerben) ein und berufen den Dritten (regelmäßig die Kinder) zum Erben des überlebenden Ehegatten. Dies führt dazu, dass sich nach dem Tod des ersten Ehegatten dessen Vermögen mit dem Vermögen des überlebenden Ehegatten vereinigt, so dass der Dritte den beiderseitigen Nachlass nur aus einem einzigen Berufungsgrund, nämlich als unmittelbarer Erbe (Schlusserbe) des letztversterbenden Ehegatten, erhält. Im Gegensatz zur Trennungslösung schränkt diese Lösung den überlebenden Ehegatten in seiner Verfügungsbefugnis nicht ein. Allerdings bringt diese Lösung erbschaftsteuerliche Nachteile, da die Freibeträge der Kinder nach dem erstversterbenden Ehegatten nicht ausgenutzt werden. Außerdem sieht sich der überlebende Ehegatte möglicherweise Pflichtteilsansprüchen der Kinder ausgesetzt, da diese nach dem erstversterbenden Ehegatten nicht Erben werden. In derartigen letztwilligen Verfügungen der Ehegatten finden sich daher regelmäßig auch Pflichtteilsstrafklauseln, in denen vorgesehen ist, dass ein Kind nicht Schlusserbe wird, falls es nach dem Tod des Erstversterbenden gegen den Willen des überlebenden Ehegatten seinen Pflichtteilsanspruch geltend macht. Andererseits kann die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen nach dem erstversterbenden Ehegatten auch im allseitigen Interesse liegen, da durch diese Geltendmachung die Steuerfreibeträge der Kinder nach dem erstversterbenden Ehegatten ausgenutzt werden können.

 

Rz. 92

Regelmäßig entspricht nicht die Trennungslösung, sondern die Einheitslösung dem Willen der Ehegatten, da bei dieser Gestaltung der überlebende Ehegatte über den kompletten Nachlass frei verfügen kann. Dieser Interessenlage trägt auch die Auslegungsregel des § 2269 BGB Rechnung. Danach ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Eheleute die Einheitslösung gewählt haben.

 

Rz. 93

Sinnvollerweise wird in gemeinschaftlichen Testamenten ausdrücklich geregelt, welche der Verfügungen wechselbezüglich sein sollen (siehe Rdn 43 ff.). In der Praxis erfolgt die gegenseitige Erbeinsetzung regelmäßig wechselbezüglich. Hinsichtlich der Berufung der Kinder zu Schlusserben finden sich verschiedene Gestaltungsvarianten: Zum einen kann auch die Berufung der Kinder zu Schlusserben entsprechend der gesetzlichen Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB wechselbezüglich ausgestaltet werden. Möglich ist es aber auch, dass dem überlebenden Ehegatten das Recht vorbehalten wird, die Schlusserben abweichend zu bestimmen. Ein Ehegattentestament sollte darüber hinaus auch Regelungen für den Fall der Ehescheidung enthalten.

[74] Vgl. Mustertestament auf der beiliegenden CD-ROM unter der Rubrik "Deutschland".
[75] Vgl. Mustertestament auf der beiliegenden CD-ROM unter der Rubrik "Deutschland".

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