Rz. 191

In der Vergangenheit war die Tätigkeit des deutschen Steuergesetzgebers insbesondere durch den Versuch geprägt, die Begünstigungsvorschriften für Betriebsvermögen (und Grundvermögen) an die Vorgaben des BVerfG[161] anzupassen. Mittlerweile gewinnt daneben die Rechtsprechung des EuGH immer größeren Einfluss, vor allem bei Regelungen, die beschränkt Steuerpflichtige schlechter behandeln als unbeschränkt Steuerpflichtige. Es fällt dem deutschen Gesetzgeber ersichtlich nicht leicht, europarechtskonforme Lösungen zu entwickeln. Nach der Rechtsprechung des EuGH[162] muss auch das Erbschaftsteuerrecht die vom Gemeinschaftsrecht gewährleisteten Grundfreiheiten beachten. Die Reaktion des deutschen Gesetzgebers auf diese Rechtsprechung zu den Unterschieden bei den Freibeträgen für unbeschränkte und beschränkte Steuerpflichtige war (zunächst) die Einführung eines Optionsrechts beschränkt Steuerpflichtiger zur unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 3 ErbStG a.F.), dann die spätere Aufhebung sowie die nunmehrige Einführung der Gewährung der auch für unbeschränkt Steuerpflichtige geltenden individuellen Freibeträge (§ 16 Abs. 1 ErbStG); allerdings gilt für beschränkt Steuerpflichtige eine Minderung, wenn sie auch nicht in Deutschland steuerpflichtiges Vermögen erwerben (§ 16 Abs. 2 ErbStG), sowie die Öffnung des besonderen Versorgungsfreibetrages durch Abs. 3 des § 17 ErbStG für (bestimmte) beschränkt Steuerpflichtige. Ob diese Schlechterstellungen von beschränkt Steuerpflichtigen gegenüber unbeschränkt Steuerpflichtigen durch § 16 Abs. 2 ErbStG und § 17 Abs. 3 ErbStG einer Überprüfung durch den EuGH standhalten werden, wird abzuwarten bleiben.

[162] EuGH, Urt. v. 22.4.2010 – C-510/08 (Mattern), DStR 2010, 861; EuGH, Urt. v. 8.6.2016 – C-479/14 (Sabine Hünnebeck), DStR 2016, 1360 ff. Nach Ansicht des EuGH stellte sogar die wohnsitzabhängige Differenzierung des Freibetrages, nämlich wenn Erblasser und Erwerber zum Zeitpunkt des Erbfalls ihren Wohnsitz in einem Drittland hatten, also außerhalb der EU, wie etwa in der Schweiz, einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit dar, EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-181/12, NJW 2014, 842 = EuZW 2014, 27.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge