Rz. 61

Bei dem Anfangsvermögen handelt es sich nach der gesetzlichen Regelung des § 1374 Abs. 1 BGB um das Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten beim Eintritt des Güterstandes gehört. Das Anfangsvermögen ist ebenso wie das Endvermögen eine reine Rechengröße, die gemäß § 1373 BGB zur Ermittlung des Zugewinns eines Ehegatten erforderlich ist.

 

Rz. 62

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH umfasst das Anfangsvermögen alle dem Ehegatten am Stichtag zustehenden rechtlich geschützten Positionen mit wirtschaftlichem Wert, das heißt neben den den Ehegatten gehörenden Sachen alle ihnen zustehenden objektiv bewertbaren Rechte, die beim Eintritt des Güterstandes bereits entstanden sind.[1] Dazu gehören unter anderem auch geschützte Anwartschaften mit ihrem gegenwärtigen Vermögenswert sowie die ihnen vergleichbaren Rechtsstellungen, die einen Anspruch auf künftige Leistung gewähren, sofern diese nicht mehr von einer Gegenleistung abhängig und nach wirtschaftlichen Maßstäben (notfalls durch Schätzung) bewertbar sind. Der Wert muss jedoch nicht zwingend sogleich verfügbar sein. Die Berücksichtigung eines Rechts im Anfangsvermögen setzt auch nicht voraus, dass das Recht bereits fällig, dass es unbedingt oder vererblich ist; selbst (in der Realisierung) dubiose Forderungen sind grundsätzlich in das Anfangsvermögen einzubeziehen. Nicht zum Anfangsvermögen gehören demgegenüber noch in der Entwicklung begriffene Rechte, die noch nicht zur Anwartschaft erstarkt sind, und bloße Erwerbsaussichten, da sie nicht das Merkmal "rechtlich geschützter Positionen mit wirtschaftlichem Wert" erfüllen.

 

Rz. 63

Stichtag für die Berechnung des Anfangsvermögens ist der Eintritt in den Güterstand. Dieses ist in der überwiegenden Anzahl der Fälle der Tag der standesamtlichen Eheschließung (§ 1310 BGB). Haben die Ehegatten den gesetzlichen Güterstand per Ehevertrag begründet, kommt es auf diesen maßgeblichen Zeitpunkt an.

 

Rz. 64

Bei der Ermittlung des Anfangsvermögens sind die zum Stichtag vorhandenen Passiva von den Aktiva in Abzug zu bringen. Bis zur Reform des Zugewinnausgleichs konnten Verbindlichkeiten nur bis zur Höhe des Vermögens abgezogen werden, was zur Folge hatte, dass das Anfangsvermögen nicht geringer als 0 EUR sein konnte. Darin wurde ein großes Gerechtigkeitsdefizit gesehen. Denn der Ehegatte, der sein Vermögen im Laufe der Ehe um den Betrag mehrte, der der Schuldentilgung des anderen Ehegatten entspricht, übernahm über den Zugewinnausgleich praktisch die Hälfte der Verbindlichkeiten. Noch ungerechter war das Ergebnis, wenn der eine Ehegatte die Verbindlichkeiten des anderen tilgte und zusätzlich eigenes Vermögen erwarb. In diesen Fällen blieb nicht nur der Beitrag zur Schuldentilgung unberücksichtigt, auch das eigene Vermögen bei Beendigung des Güterstandes wurde grundsätzlich geteilt.[2] Dieses hat sich seit der Reform zum 1.9.2009 grundlegend geändert, denn gemäß § 1374 Abs. 3 BGB sind jetzt auch Verbindlichkeiten über die Höhe des Vermögens hinaus abzuziehen. Durch diese Änderung wird nunmehr auch ein negatives Anfangsvermögen berücksichtigt.

 

Beispiel: Schulden bei der Eheschließung

Die Ehefrau hatte bei Eheschließung Schulden in Höhe von 20.000 EUR.

Nach der alten Rechtslage wurde das Anfangsvermögen trotz der Schulden mit 0 EUR angesetzt. Nach der aktuellen Rechtslage beläuft sich das Anfangsvermögen der Ehefrau auf – 20.000 EUR. Abhängig von der Höhe des jeweiligen Endvermögens können sich die Ergebnisse bei einer Durchführung der Zugewinnausgleichsberechnung um bis zu 10.000 EUR unterscheiden.

 

Empfehlung:

Hier ist die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 20 Abs. 2 EGBGB zu beachten, wonach in Zugewinnausgleichsverfahren, die vor dem 1.9.2009 anhängig geworden sind, § 1374 BGB weiterhin in der bis dahin geltenden Fassung anzuwenden ist. Verbindlichkeiten können in derartigen Verfahren also weiterhin nur bis zur Höhe des Vermögens abgezogen werden.

In Verfahren, die erst nach dem 1.9.2009 anhängig gemacht worden sind, ist ein negatives Anfangsvermögen zu berücksichtigen. Unter Umständen kann es daher geboten sein, ein bereits seit vor dem 1.9.2009 anhängiges Zugewinnverfahren zurückzunehmen und neu anhängig zu machen.

[2] BT-Drucksache 16/10798, S. 11.

3.2.1 Indexierung des Anfangsvermögens

 

Rz. 65

Wenn das Anfangsvermögen ermittelt wurde, darf nicht vergessen werden, dieses auf die Kaufkraftverhältnisse zum Stichtag des Endvermögens umzurechnen. Da Geld im Laufe der Jahre kontinuierlich an Wert verliert, würde derjenige Ehegatte mit dem höheren Anfangsvermögen angesichts der Inflation erheblich benachteiligt werden, wenn das Anfangsvermögen nach den Preisen zum Zeitpunkt des Stichtages des Endvermögens bemessen werden würde. Das Anfangsvermögen ist aus diesem Grunde in seiner Gesamtheit zu indexieren, es erfolgt keine isolierte Indexierung der einzelnen Gegenstände.

 

Rz. 66

Die Indexierung erfolgt nach der Formel:

Wert des Anfangsvermögens bei Beginn des Güterstandes

x Index...

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