Leitsatz

Der BGH klärt auf Vorlage des OLG Schleswig in einer Einzelfall-Grundsatzentscheidung die Problematik des Anbringens einer Parabolantenne durch einen ausländischen Wohnungseigentümer (unter Hinweis auf vorliegend getroffene Vereinbarungen und einen generellen Verbotsbeschluss sowie unter Berücksichtigung der verfassungs- und wohnungseigentumsrechtlichen Grundsätze)

 

Normenkette

§§ 10 Abs. 2, 14 Nr. 1, 3, 15, 22 Abs. 1, 23 Abs. 1 WEG; Art. 5 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG; §§ 242, 1004 BGB

 

Kommentar

  1. Leitsätze des BGH:

    1. Selbst bei vorhandenem Kabelanschluss kann das besondere Informationsinteresse eines ausländischen Wohnungseigentümers dazu führen, dass die übrigen Eigentümer den Nachteil hinnehmen müssen, der für den optischen Gesamteindruck der Wohnanlage mit einer auf dem Balkon einer Eigentumswohnung aufgestellten Parabolantenne verbunden ist.
    2. Die Wohnungseigentümer können durch Vereinbarung einschränkende Voraussetzungen bestimmen und das Anbringen von Parabolantennen auch generell verbieten. Aufgrund einer Inhaltskontrolle nach § 242 BGB können solche Vereinbarungen allerdings unwirksam sein, wenn für ein Festhalten insbesondere an einem generellen Verbot ein berechtigtes Interesse fehlt.
    3. Ein generelles Verbot von Parabolantennen kann nicht durch Mehrheitsbeschluss angeordnet werden. Ein solcher Beschluss ist jedoch grundsätzlich nicht nichtig, sondern nur anfechtbar. Zur Nichtigkeit führt es allerdings, wenn mit dem Beschluss eine Vereinbarung abgeändert wird.
  2. Zum Sachverhalt (in Kurzform):

    Ein Eigentümer mit polnischer Staatsangehörigkeit konnte in der an das Breitbandkabelnetz angeschlossenen Anlage nur den Fernsehsender TV Polonia empfangen; da er am Empfang weiterer polnischer Fernsehprogramme interessiert war, stellte er auf seinem Balkon eine mobile Parabolantenne auf. In der Gemeinschaftsordnung bestand u.a. die Vereinbarung, dass die Anbringung u.a. von Außenantennen und dergl. schriftlicher Einwilligung des Verwalters bedürfe und diese nur aus wichtigem Grund versagt oder widerrufen bzw. von der Erfüllung von Auflagen abhängig gemacht werden könne. Erteile der Verwalter eine beantragte Einwilligung nicht oder nur unter Auflagen, könne der betroffene Eigentümer einen Beschluss herbeiführen. Weiter war vereinbart, dass die Eigentümer verpflichtet seien, in einen Antennen-Servicevertrag anstelle des bisherigen Eigentümers einzutreten und eigene Geräte ausschließlich an die Gemeinschaftsantennenanlage anzuschließen.

    Im Jahr 2000 beschloss dann - unangefochten - die Gemeinschaft, ein Anbringen von Parabolantennen generell zu verbieten.

    Der kraft Verwaltervertragsvereinbarung zur Verfahrensführung ermächtigte Verwalter forderte daraufhin im Verfahren den polnischen Eigentümer (Antragsgegner) zur Demontage der von ihm auf dem Balkon seiner Wohnung installierten Satellitenanlage auf.

    Während die Tatsacheninstanzen dem Antrag folgten, beabsichtigte das OLG Schleswig, der Rechtsbeschwerde des betroffenen Eigentümers stattzugeben (entgegen OLG Bremen v. 16.8.1994, 3 W 25/94, WuM 1995, 58). Somit kam es zur Vorlageentscheidung durch das OLG Schleswig v. 8.9.2003, 2 W 103/03 und zur Grundsatzentscheidung des BGH vom 22.1.2004, V ZB 51/03.

  3. Aus den Gründen (auszugsweise und thesenartig)

    1. Der Verwalter als Antragsteller ist zur Verfahrensführung in gewillkürter Verfahrensstandschaft befugt (aufgrund verwaltervertraglicher Ermächtigung und seiner zwingenden Beschlussdurchführungspflicht, h.R.M.).
    2. Der Beseitigungsantrag ist allerdings nicht begründet, da der Antragsgegner die Grenzen des erlaubten Gebrauchs eingehalten hat. Durch die Aufstellung der Parabolantenne wurden weder Vorgaben durch Gesetz, noch durch Vereinbarungen, noch durch Eigentümerbeschlüsse überschritten.
    3. Unabhängig davon, ob eine Balkonfläche als Sonder- oder Gemeinschaftseigentum (insoweit strittig) anzusehen ist, bzw. ob die Aufstellung der Parabolantenne im Hinblick auf die Auswirkungen auf den optischen Gesamteindruck eines Gebäudes als bauliche Veränderung zu werten ist, ist vorliegend allein auf die Gebrauchsfrage von Sondereigentum oder Gemeinschaftseigentum abzustellen. Muss hier ein Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG verneint werden, haben die übrigen Wohnungseigentümer die Aufstellung einer Parabolantenne auch dann zu dulden (§ 14 Nr. 3 WEG; § 1004 Abs. 2 BGB), wenn sie als bauliche Veränderung zu qualifizieren wäre. Von einem nicht duldungspflichtigen Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG ist nur dann auszugehen, wenn er eine nicht ganz unerhebliche, konkrete und objektive Beeinträchtigung darstellt (h.M.); vorliegend ist ein solcher Nachteil von den restlichen Eigentümern hinzunehmen.
    4. Was die generalklauselartige Bestimmung des § 14 Nr. 1 WEG inhaltlich betrifft, müssen auch die jeweiligen Grundrechte der Eigentümer berücksichtigt werden; es sind hier zum einen insbesondere die Grundrechte der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz GG) zu beachten und zum anderen die Eigentumsrechte (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) der restlichen E...

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