Leitsatz

  1. Erfolgreiche Anfechtung des Beschlusses einer nach Gemeinschaftsordnung vereinbarten "Delegiertenversammlung"
  2. Offen bleiben konnte in diesem Fall die noch umstrittene Frage der Zulässigkeit einer sog. Vertreterversammlung (Stichwort: "Verdrängende Vollmacht")
 

Normenkette

§§ 10, 24, 25, 43, 46 WEG; §§ 164 ff. BGB; Art. 14 GG

 

Kommentar

  1. In der Gemeinschaftsordnung einer größeren Eigentumswohnanlage war vereinbart, dass die Eigentümer- und auch Versammlungsteilnahmerechte auf eine "Delegiertenversammlung" übertragen seien, wobei jedes Haus einen Delegierten zu entsenden habe, der die "Wünsche" der Eigentümer berücksichtigen sollte. Unter bestimmten Umständen sei allerdings ein Delegierter (z.B. bei Zahlungsrückstand mit seinen Beträgen oder aber auch bei "gerichtsverdächtigem" Meinungsstreit) von der Teilnahme an der Delegiertenversammlung ausgeschlossen.

    Die Beschlussanfechtungsklage eines Eigentümers hatte hier Erfolg. Richtige Beklagte gegen den in einer Delegiertenversammlung gefassten Beschluss waren alle übrigen Wohnungseigentümer der Gesamtgemeinschaft, da auch solche Beschlüsse wie die in einer Eigentümerversammlung zu behandeln sind (vgl. § 46 Abs. 1 WEG).

  2. Der Beschluss der Delegiertenversammlung entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, weil er von einem unzuständigen Gremium gefasst wurde. Dabei kann offen bleiben, ob und unter welchen Umständen im Einzelnen überhaupt Delegiertenversammlungen zulässigerweise anstatt einer Eigentümerversammlung entscheiden können bzw. ob derartige Rechtsgebilde im Wohnungseigentumsrecht überhaupt zulässig sind. Bereits Vereinbarungen über sog. Vertreterversammlungen werden teilweise als unzulässig angesehen, da diese Stimmrechte des einzelnen Eigentümers in rechtswidriger Weise ausschließen und die Wirkung einer verdrängenden Vollmacht haben (analog der Rechtsprechung des BGH zu Handelsgesellschaften). In einem solchen Fall könne sich schon eine Mehrheit bei einer Beschlussfassung ergeben, obwohl die einzelnen, von den Eigentümern in Teilversammlungen abgegebenen Stimmen keine entsprechende Mehrheit ergäben (Merle in Bärmann, 10. Aufl., § 25 Rn. 80 m.w. N). Eine Gegenansicht bejaht die Möglichkeit einer Vertreterversammlung bei großen Anlagen, hält diese sogar für zwingend erforderlich, was mit der grundsätzlichen Vertragsfreiheit im Wohnungseigentumsrecht nach § 10 Abs. 2 und der Abdingbarkeit des § 25 WEG begründet wird. In solchen Vertreterversammlungen werden nach dieser Meinung die einzelnen Eigentümer von einem rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter im Sinne der §§ 164 ff. BGB repräsentiert, wobei die vollmachtgebenden Eigentümer ihren Vertretern Weisungen erteilen und sie jederzeit auch wieder abberufen können. Damit sei nicht von einem Entzug der Eigentümerstimmrechte zu sprechen, sondern nur die Art der Ausübung des Stimmrechts geregelt.
  3. Nach Auffassung der Kammer gibt es allerdings solche Vertreterversammlungen im Wohnungseigentumsrecht nicht. Je nach Einzelfall muss deshalb eine Vereinbarungsregelung überprüft werden, ob sie noch aus Sicht der Eigentümerrechte bzw. dem Selbstverwaltungsrecht der Eigentümer, dem ein außerordentlich hoher Stellenwert zukommt, vertretbar ist oder Rechte zu sehr aushöhlt.

    Vorliegend muss von einem vollständigen Ausschluss der Eigentümerrechte ausgegangen werden. Die hier in der Gemeinschaftsordnung installierte Delegiertenversammlung stellt nicht lediglich eine Vertreterversammlung dar, wenn hier pro Haus nur ein Vertreter in die Delegiertenversammlung entsandt wurde, um dort "Wünsche""seiner" Hauseigentümer zu verlautbaren. Insoweit handelt es sich nicht um eine vertretungsweise abzugebende eigene Stimme des Wohnungseigentümers. Ein Delegierter hat hier lediglich eine einzige Stimme in dieser Versammlung, sodass er schon deshalb nicht Wünsche aller "seiner" Eigentümer berücksichtigen kann. Auch ist nicht erkennbar, wie im Einzelfall die einzelnen Eigentümer die Berücksichtigung ihrer Wünsche kontrollieren und durchsetzen können.

  4. Überdies regelt hier die Gemeinschaftsordnung im Rahmen der dort zusätzlich vereinbarten Geschäftsordnung für Delegiertenversammlungen, dass die Mitgliedschaft eines Delegierten ruhen soll, wenn er mit der Zahlung seiner monatlichen Abgaben ganz oder teilweise in Verzug ist oder wenn er mit einem der Eigentümer oder einem Mitglied der Versammlung oder mit dem Verwalter eine sachliche oder persönliche Meinungsverschiedenheit hat, die geeignet ist, vor Gericht in irgendeiner rechtlich möglichen Weise ausgetragen zu werden. In einem solchen Fall ist das betreffende Mitglied (der Delegierte) nicht zu diesen Versammlungen einzuladen. Erst wenn die Mitgliedschaft länger als ein halbes Jahr ruhen soll, hat die Gemeinschaft einen Ersatzdelegierten zu wählen. Diese Klausel ist rechtlich höchst bedenklich, da zumindest für Eigentümer eines bestimmten Hauses kein Vertreter vorhanden ist, sodass das Ruhen seiner Teilnahme auch weitere Miteigentümer im Hause "bestraft", was deren Mitgliedschaftsrechte unangeme...

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