Selbst wenn die gesetzliche Erbfolge den Wünschen des Erblassers entspricht, so gilt es den Fall zu bedenken, dass ein in Aussicht genommener Erbe vor dem Erbfall wegfällt (durch Vorversterben, Unwirksamkeit oder Widerruf der Erbeinsetzung, Zuwendungsverzichtsvertrag nach § 2352 BGB, Nichterleben einer aufschiebenden Bedingung nach § 2074 BGB oder Eintritt einer auflösenden Bedingung) oder der Erbe – bei Ex-tunc-Wirkung – nach dem Erbfall wegfällt (durch Ausschlagung der Erbschaft, Erbunwürdigkeitserklärung nach § 2344 BGB oder Anfechtung der Erbeinsetzung nach §§ 2078, 2079 BGB)[1].Vor dem Hintergrund, dass dann Personen an die Stelle des "Wunscherben" treten[96], denen der Erblasser den Nachlass nicht zukommen lassen möchte, ist eine letztwillige Verfügung auch bei gewünschter gesetzlicher Erbfolge geboten.

Da solche Fälle in der Praxis nicht selten sind, empfiehlt sich eine testamentarische Bestimmung von Ersatzerben (§§ 2096 ff. BGB), die allerdings gem. § 2096 BGB eine ausdrückliche Einsetzung primärer Erben voraussetzt[3]. Die Berücksichtigung solcher Eventualitäten kennzeichnet ein fachkundig gestaltetes Testament[4]. Hier bedarf es eindeutiger und klarer testamentarischer Regelungen, um zu vermeiden, dass in Zweifelsfällen vom Erblasser möglicherweise ungewollte Folgen von Gesetzes wegen (vgl. §§ 2069[5], 2097 BGB) oder aufgrund der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze[6] eingreifen. So ist etwa umstritten, ob ein nach § 2096 BGB eingesetzter Ersatzerbe den Personen, deren Ersatzerbenstellung gem. §§ 2069, 2102 Abs. 1 BGB vermutet wird, immer vorgeht. Teilweise[7] wird ungeachtet einer ausdrücklichen testamentarischen Regelung eine Auslegung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vermutungsregel verlangt.

 
Praxis-Tipp

Um keine Unsicherheit beim Wegfall von in Betracht kommenden Erben aufkommen zu lassen, sollte eine Verwirkungsklausel mit Enterbung des gesamten Stammes aufgenommen werden.

Der vom Erblasser zunächst in Aussicht genommene Erbe kann – wie im Übrigen auch der Ersatzerbe selbst – aus verschiedenen Gründen wegfallen[8], sodass testamentarisch zu bestimmen ist, für welche Fälle Ersatzerben benannt werden. Um zu vermeiden, dass ein Erbe die Erbschaft gem. § 2306 BGB ausschlägt, den Pflichtteil verlangt und seine Abkömmlinge zu Lasten eines anderen Familienstamms – lediglich belastet mit dem Pflichtteilsanspruch des Ausschlagenden – gleichwohl als Ersatzerben vom Restnachlass profitieren, empfiehlt sich die Klarstellung, dass die Ersatzerbfolge in einem solchen Fall nicht eintritt.[9]

Der BGH[10] vertritt hierzu die Auffassung, dass § 2069 BGB im Zweifel nicht anzuwenden sei, da der Ausschlagende nicht "weggefallen" ist, sondern vielmehr als Ersatz für seine Erbschaft den Pflichtteil erhält.

Steht kein Ersatzerbe zur Verfügung, führt der Wegfall eines Erben zur Anwachsung des Erbteils der verbliebenen Miterben, § 2094 BGB. Daher dürfte es sich empfehlen eine sogenannte Ersatzerbenkette[11] zu bilden, also für einen wegfallenden Ersatzerben – gegebenenfalls sogar mehrfach – einen weiteren Ersatzerben zu bestimmen.

 

Formulierungsbeispiel

Ersatzerbenbestimmung

Nur für den Fall, dass ... (Bezeichnung eines eingesetzten Erben) vor mir stirbt, setze ich ... (Bezeichnung des Ersatzerben) zum Ersatzerben ein. Fällt der Ersatzerbe ebenfalls vor mir weg, so wächst der Erbteil den übrigen Erben nach dem Verhältnis ihrer Erbteile an, bei gemeinschaftlichen Erbteilen zunächst innerhalb des gemeinschaftlichen Erbteils. Diese Bestimmungen haben Vorrang vor allen gesetzlichen oder sonstigen Auslegungs-, Vermutungs- oder Ergänzungsbestimmungen. Schlägt ein Erbe die Erbschaft aus und macht den Pflichtteil geltend oder verzichtet er gegen Entgelt auf Zuwendung seines Erbteils, so werden seine Abkömmlinge nicht Ersatzerben.[106]

[1] Nach Langenfeld/Fröhler, Testamentsgestaltung, 5. Aufl. 2015, 3. Kapitel Rn. 36 f.
[96] § 1924 Abs. 3 BGB regelt das Eintrittsrecht bei der gesetzlichen Erbfolge (Erbfolge nach Stämmen).
[3] Eine gesetzliche Nacherbfolge gibt es nicht, nur die Auslegungsregeln in § 2069 BGB zugunsten nachfolgender Abkömmlinge bzw. in § 2102 BGB zugunsten eingesetzter Nacherben, vgl. hierzu Weidlich in Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 2096 Rn. 1.
[4] So Langenfeld/Fröhler, Testamentsgestaltung, 5. Aufl. 2015, 3. Kapitel Rn. 40 ff.
[5] Nach der Auslegungsregel des § 2069 BGB gelten im Zweifel die gesetzlichen Erben – inkl. nichtehelicher und adoptierter Kinder – des bedachten Abkömmlings als dessen Ersatzerben. Die Norm ist ebenfalls auf Auflagen und Vermächtnisse anwendbar. Schlägt der Bedachte die Erbschaft aus, um seinen Pflichtteil geltend zu machen, liegt nach Auffassung des BGH (Urteil v. 29.6.1960, V ZR 64/59, BGHZ 33 S. 60, zuletzt fortgeführt durch OLG Braunschweig, Beschluss v. 14.5.2020, 3 W 74/20, ZErb 2020 S. 293 f.) kein Wegfall vor. Eine analoge Anwendung auf den Wegfall von Erben, die keine Abkömmlinge des Erblassers sind, kommt allenfalls in Betracht, wenn ein besonderes Näheverhältnis z...

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