Leitsatz

  1. Darlehensaufnahme durch die Gemeinschaft (den Verband) entspricht nur ausnahmsweise ordnungsgemäßer Verwaltung
  2. Die Finanzierung längerfristig planbarer Sanierungsmaßnahmen durch ein Darlehen der Gemeinschaft für zahlungsschwache Miteigentümer widerspricht i.d.R. ordnungsgemäßer Verwaltung
 

Normenkette

§ 21 WEG

 

Kommentar

  1. Eine Gemeinschaft hatte eine Kreditaufnahme für Sanierungen an den Fahrstühlen und für Dämmmaßnahmen bis zur maximalen Höhe von 135.000 EUR beschlossen, um den durch Sonderumlage zu stark belasteten Miteigentümern die Möglichkeit zu geben, über die Gemeinschaft ihre Sonderumlageanteile zu finanzieren.
  2. Nach vorherrschender Rechtsmeinung entspricht eine Kreditaufnahme durch die Gemeinschaft als Verband nur ausnahmsweise ordnungsgemäßer Verwaltung. Bei Pflicht zur gemeinsamen Kostentragung müsste sich eine Darlehensaufnahme aufgrund allgemeiner Treuepflicht der Miteigentümer praktisch zwingend gebieten (beispielsweise für erforderliche Aufwendungen für Heizmaterial im Winter). Ein Darlehen sollte hier nur kurzfristig Kosten abdecken und hinsichtlich der Höhe in einem angemessenen Verhältnis zur Wirtschaftskraft der Gemeinschaft stehen. Hingegen entspricht die Finanzierung einer längerfristig planbaren Sanierungs- oder Baumaßnahme durch ein Darlehen der Gemeinschaft in aller Regel nicht Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.
  3. Es ist grundsätzlich allein Sache der einzelnen Miteigentümer, wie sie Kostenanteile aus einer beschlossenen Sonderumlage aufbringen (aus eigenen Mitteln oder über eigene Darlehensaufnahme).
  4. Vorliegend war es Beschlussinhalt, dass nichtzahlende Eigentümer durch die Gemeinschaft in Form eines Kredits zunächst freigestellt werden. Die unmittelbare Kostenfinanzierung soll hier auf 2 verschiedenen Ebenen stattfinden. Dies bedeutet, dass solvente Miteigentümer bei einem Ausfall eines zunächst freigestellten Miteigentümers nicht nur den kreditierten Kostenanteil, sondern auch die hierauf anfallenden Zinsen und Kosten im Wege einer Ausfall-Sonderumlage übernehmen müssten; damit wäre ihre wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit aber wesentlich eingeschränkt.
  5. Die Verantwortung für persönliche Mittelaufbringung liegt gemäß § 16 Abs. 2 WEG beim einzelnen Eigentümer. Private Mittelaufbringung darf auch nicht auf die Gemeinschaft verlagert werden. Andernfalls handelt es sich um ein persönliches Auftragsverhältnis zwischen der rechtsfähigen Gemeinschaft und dem einzelnen Wohnungseigentümer, in dessen Interesse die Gemeinschaft den Kredit aufgenommen hat. Aufwendungen können dann aber nicht mehr nach § 28 WEG abgerechnet werden, weil sich der Erstattungsanspruch nicht nach dem allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel, sondern nach dem persönlichen Auftragsverhältnis zwischen Gemeinschaft und einzelnem Wohnungseigentümer richtet. Damit würde das gesamte Wirtschaftswesen der Gemeinschaft nahezu in ihr Gegenteil verkehrt. Die Teilrechtsfähigkeit der Gemeinschaft würde dazu benutzt werden, einzelnen Miteigentümern auf deren Wunsch hin einen privaten Kredit zu verschaffen, den diese persönlich nicht aufnehmen wollen oder können. In diesem Zusammenhang läuft die hier beschlossene Konstruktion auch auf eine Zwangsbürgschaft derjenigen Miteigentümer hinaus, die ihren Anteil an der Sonderumlage zahlen. Denn trotz dieser Zahlung haften sie im Außenverhältnis gemäß § 10 Abs. 8 Satz 1 WEG für den im Interesse anderer Eigentümer aufgenommenen Kredit inklusive Zinsen und Kosten in Höhe ihres Miteigentumsanteils, ohne ihre eigene Zahlung an die Gemeinschaft der Haftung entgegenhalten zu können.
  6. Eine Kreditaufnahme durch die Gemeinschaft stellt auch keine Wahrnehmung des Grundrechts aus Art. 14 GG bezogen auf das Grundeigentum dar. Dieses Grundrecht steht auch hinsichtlich des gemeinschaftlichen Eigentums den einzelnen Miteigentümern und nicht der Gemeinschaft zu. Im Verhältnis der Miteigentümer untereinander (Befürwortern der Kreditaufnahme und beschlussanfechtenden Gegnern) ist Art. 14 GG nicht unmittelbar anwendbar, da die Grundrechte lediglich Abwehrrechte gegen staatliches Handeln darstellen.
 

Link zur Entscheidung

OLG Hamm, Beschluss v. 21.06.2011, I-15 Wx 251/11, ZMR 2012 S. 800

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