Rz. 22

§ 15 Abs. 4 ErbStG, der durch Art. 11 des Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (BeitrRLUmsG) v. 7.12.2011[57] eingefügt worden ist, regelt die Rechtsfolgen der Schenkung einer Kapitalgesellschaft oder einer Genossenschaft auf Veranlassung einer unmittelbar oder mittelbar an der Kapitalgesellschaft/Genossenschaft beteiligten natürlichen Person oder Stiftung. § 15 Abs. 4 ErbStG ist auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 13.12.2011 entsteht. Lt. Gesetzesbegründung[58] soll § 15 Abs. 4 ErbStG Härten ausräumen, die sich aus der unmittelbaren zivilrechtlichen Betrachtung einer Zuwendung durch eine Kapitalgesellschaft/Genossenschaft ergeben können. Er ist zwar im Zusammenhang mit dem neuen Schenkungstatbestand des § 7 Abs. 8 ErbStG eingefügt worden, gilt aber nach dem Wortlaut für alle in § 15 Abs. 4 ErbStG beschriebenen Schenkungen von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, insb. aber für Fälle des § 7 Abs. 8 ErbStG. In der Gesetzesbegründung ist dazu folgendes Beispiel enthalten:

 

Beispiel

Vater V ist Hauptgesellschafter und Geschäftsführer der V-GmbH, bei der seine Tochter T als Arbeitnehmerin tätig ist. V veranlasst die GmbH aus Gründen privater Fürsorge, der T ein überhöhtes Gehalt zu zahlen.

Nach der Neuregelung ist der Vorgang hinsichtlich der Berechnung der Steuer wie eine Direktzuwendung von V an T zu behandeln, so dass die günstige Steuerklasse I und der höhere persönliche Freibetrag angewendet werden kann. Dies gilt auch dann, wenn die T an der V- GmbH als Gesellschafterin beteiligt sein sollte.

Bei Anwendung der Steuerklassenbestimmung nach § 15 Abs. 4 ErbStG gilt Schenkung bei der Zusammenrechnung früherer Erwerbe (§ 14 ErbStG) als Vermögensvorteil, der dem Bedachten von dieser Person (und nicht etwa von der Kapitalgesellschaft/Genossenschaft) anfällt. Zur Durchführung der Zusammenrechnung gem. § 14 ErbStG siehe R E 15.4 Abs. 2 ErbStR 2019 und Erläuterungen in § 14 ErbStG Rdn 7.

 

Rz. 23

Grds. gilt: Maßgebend ist das persönliche Verhältnis des Erwerbers (unmittelbar oder mittelbar an der Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft beteiligte natürliche Personen oder Stiftung) zu der die Zuwendung veranlassenden Person.[59]

Während der oder die Erwerber einigermaßen treffsicher ermittelt werden können, und Schenker die Kapitalgesellschaft oder die Genossenschaft ist, kann die Bestimmung der die Zuwendung veranlassenden Person schwierig sein. Die veranlassende Person kann lt. Gesetzeswortlaut eine natürliche Person oder eine Stiftung sein. Beide müssen an der schenkenden Kapitalgesellschaft/Genossenschaft unmittelbar oder mittelbar (m.E. im gesellschaftsrechtlichen Sinne) beteiligt sein. Die Kapitalgesellschaft/Genossenschaft kann inländisch (§§ 10, 11 AO) oder auch ausländisch sein. Ein bestimmter Grad der Beteiligung und/oder bestimmtes Beteiligungsverhältnis wird nicht verlangt. Die rechtliche und/oder faktische Möglichkeit, eine entsprechende Schenkung zu veranlassen, setzt in der Regel eine entsprechende Mehrheitsbeteiligung voraus. Der Veranlassende muss die Vermögensvermehrung ursächlich herbeigeführt haben. Im Fall der Einmann-GmbH liegt keine Zuwendung an sich selbst, sondern eine Zuwendung der GmbH an den Gesellschafter vor. In diesem Fall wird man die Steuerklasse III anwenden müssen, da man mit sich selbst nicht verwandt sein kann, d.h. die "Billigkeitsregelung" in § 15 Abs. 4 ErbStG nicht greifen kann.

Beweisfragen bei mittelbar veranlassender Person:

 

Beispiel: Schenkung einer mittelbar beteiligten natürlichen Person

Eine zu 66 % an der Muttergesellschaft (mit Sitz in der Schweiz) beteiligte natürliche Person (sog. Patriarch) bespricht mit dem Gesellschafter einer zum Firmenkonsortium gehörenden inländischen GmbH (einem entfernten Verwandten), die Stieftochter dieses Gesellschafters (die gerade ein Praktikum in der Zentrale absolviert) in der GmbH zu einem überhöhten Gehalt mit zusätzlichen Vergünstigungen (Firmenwagen, Dienstwohnung etc.) einzustellen. Es liegt unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht vor, weil ein Erwerb von einer inländischen Kapitalgesellschaft vorliegt.[60] Da der "Veranlasser" nicht mit der Erwerberin der Zuwendung verwandt ist, käme Steuerklasse III zur Anwendung. Behauptet der Gesellschafter der inländischen GmbH (Stiefvater) "Veranlasser" zu sein, käme Steuerklasse I zur Anwendung.

Daraus folgt für die Beweislast: Will das Finanzamt eine ungünstigere Steuerklasse anwenden, ist es für die Person des Veranlassers beweispflichtig. Der Erwerber, bzw. im Fall der Übernahme der Schenkungsteuer durch den Schenker der Schenker, ist beweispflichtig dafür, dass Veranlasser eine Person der Steuerklasse I oder II ist.

 

Rz. 24

Sind mehrere natürliche Personen "Veranlasser" der Schenkung, muss der Erwerber, ggf. der Schenker, konkret darlegen, welche Person die Zuwendung veranlasst hat, wobei die Feststellungslast beim Steuerpflichtigen liegt. Im Zweifel kann eine quotale Mitveranlassung aller Beteiligten angenommen we...

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