Rz. 22

Der fiktive Verkauf findet am Bewertungsstichtag statt. Deshalb sind nach § 9 Abs. 2 S. 2 BewG die Verhältnisse auf dem Markt maßgebend, auf dem das Wirtschaftsgut gehandelt wird.

 

Rz. 23

Entgegen einer im Schrifttum[14] vertretenen Ansicht ist es dem fiktiven Verkäufer versagt, auf bessere Zeiten zu warten. Dass er zu einem Zeitpunkt verkaufen muss, den er sich nicht ausgesucht hat, macht für sich allein das Geschehen nicht zu einem Verkauf unter ungewöhnlichen Verhältnissen, die nach § 9 Abs. 2 S. 3 BewG nicht berücksichtigt werden dürfen.[15] Hier setzt sich das Stichtagsprinzip des Bewertungsrechts durch.

 

Rz. 24

Aber das Stichtagsprinzip schließt es nicht aus, Umstände zu berücksichtigen, die vor oder nach dem Bewertungsstichtag liegen, soweit sie einen Schluss auf die Wertverhältnisse am Stichtag zulassen. Denn sind die maßgebenden Verhältnisse gleichgeblieben, kann sich aus den zeitversetzten Kaufpreisen mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ableiten lassen, dass der gleiche Preis auch bei einem Verkauf am Stichtag zu erzielen gewesen wäre.[16] Deshalb sind wertmindernde Umstände zu berücksichtigen, wenn die Voraussetzungen am Stichtag objektiv vorhanden waren und die Minderung auch tatsächlich später eingetreten ist.[17]

 

Rz. 25

Die Rechtsprechung des BFH,[18] wonach bei der Bewertung von Anteilen Verkäufe nach dem Stichtag grundsätzlich außer Betracht bleiben, und eine Ausnahme nur für den Fall zu machen ist, dass der eigentliche Vertragsschluss kurz, d.h. innerhalb einer nach Wochen zu bemessenden Zeitspanne, nach dem Bewertungsstichtag stattfindet, sofern die Einigung über den Kaufpreis aber bereits vorher erfolgt ist, steht dem nicht entgegen. Denn sie beruht darauf, dass § 11 Abs. 2 S. 2 BewG nur Verkäufe vor dem Stichtag als Vergleichsgeschehen berücksichtigt.

[14] Tremel, ZEV 2009, 261.
[16] BFH v. 2.7.2004 – II R 55/01, BStBl II 2004, 703 hat die indizielle Wirkung sogar bei einem Grundstücksverkauf bejaht, der fast drei Jahre nach dem Stichtag stattgefunden hat, weil feststand, dass sich die maßgebenden Umstände, zu denen der Bodenwert und die Jahresmiete gehörten, gleichgeblieben waren.

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