I. Tatbestand

 

Rz. 43

Über die Regelungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ErbStG hinaus regelt § 4 AStG eine erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht für (bislang) unbeschränkt Steuerpflichtige, die in ein einkommensteuerrechtliches Niedrigsteuergebiet wegziehen.[113]

 

Rz. 44

Die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht knüpft ausschließlich an den Erblasser/Schenker an. Die persönlichen Verhältnisse des Erwerbers spielen keine Rolle. Zunächst müssen in der Person des Erblassers/Schenkers sämtliche Voraussetzungen des § 2 AStG erfüllt sein. Insbesondere muss er in den letzten zehn Jahren vor seinem Wegzug als Deutscher[114] insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG) gewesen sein und dann seinen Wohnsitz in einem ausländischen Gebiet, genommen haben, in dem er mit seinem Einkommen nur einer niedrigen Besteuerung i.S.v. § 2 Abs. 2 AStG unterliegt. Gleichzeitig müssen unmittelbar oder mittelbar wesentliche wirtschaftliche Interessen in der Bundesrepublik Deutschland i.S.v. § 2 Abs. 3 und 4 AStG bestehen.

 

Rz. 45

Schließlich fordert § 4 Abs. 2 S. 1 AStG, dass eine etwaige im Ausland erhobene Erbschaftsteuer (oder eine vergleichbare Steuer) nicht wenigstens 30 v.H. der deutschen Erbschaftsteuer beträgt. Eine Liste der sog. Niedrigsteuerländer enthält Anlage 1 zum Anwendungserlass zum AStG v. 14.5.2004.[115] Entscheidend ist allerdings stets die Vergleichsberechnung im Einzelfall, bei der zum einen die Werte nach dem BewG maßgeblich und zum anderen auch individuelle steuerliche Privilegierungen nach dem jeweils anwendbaren ausländischen Recht zu berücksichtigen sind.[116]

[113] Der Gesetzgeber unterstellt insoweit, dass in solchen Staaten "oftmals auch die Erbschaftsteuer entsprechend niedrig gehalten ist", vgl. BT-Drucks VI/2883.
[114] Insoweit kommt es allein auf die Staatsangehörigkeit an.
[115] BStBl I 2004, Sonder-Nr. 1; vgl. auch Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 2 Rn 81 m.w.N.
[116] Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 2 Rn 81 unter Hinweis auf BFH v. 26.6.2013 – I R 4/12, BFH/NV 2013, 1925.

II. Rechtsfolgen

1. Besteuerung des erweiterten Inlandsvermögens

 

Rz. 46

Soweit der Erblasser/Schenker eine Person i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 AStG ist, unterliegt er für die Dauer von zehn Jahren nach dem Ende des Jahres, in dem seine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht endete,[117] der erweiterten beschränkten Erbschaftsteuerpflicht. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuerschuld; dieser muss in einen – einkommensteuerrechtlichen – Veranlagungszeitraum fallen, in dem der Erblasser/Schenker noch der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 2 AStG) unterliegt.[118]

 

Rz. 47

§ 4 AStG ist nur subsidiär anzuwenden, also nur insoweit, wie nicht bereits eine unbeschränkte bzw. eine erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. b ErbStG besteht. § 4 AStG kommt also nur zum Tragen, wenn seit dem Wegzug mehr als fünf Jahre vergangen sind oder der Erblasser/Schenker die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. b ErbStG vorausgesetzte deutsche Staatsangehörigkeit aufgegeben hat.[119]

 

Rz. 48

Soweit § 4 AStG eingreift, unterliegen der beschränkten Steuerpflicht über das in § 121 BewG genannte Vermögen hinaus sämtliche Gegenstände, deren Erträge bei (unterstellter) unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S.v. § 34c Abs. 1 EStG wären. Gemäß Tz. 4.1.1 des Anwendungserlasses zum AStG[120] umfasst dieses sog. erweiterte Inlandsvermögen:

1. Kapitalforderungen gegen Schuldner im Inland;
2. Spareinlagen und Bankguthaben bei Geldinstituten im Inland;
3. Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften, Investmentfonds und offene Immobilienfonds sowie Geschäftsguthaben bei Genossenschaften im Inland;
4. Ansprüche auf Renten und andere wiederkehrende Leistungen gegen Schuldner im Inland sowie Nießbrauchs- und Nutzungsrechte an Vermögensgegenständen im Inland;
5. Erfindungen und Urheberrechte, die im Inland verwertet werden;
6. Versicherungsansprüche gegen Versicherungsunternehmen im Inland;
7. bewegliche Wirtschaftsgüter, die sich im Inland befinden;
8. Vermögen, dessen Erträge nach § 5 AStG der erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterliegen (betrifft Vermögen von Zwischengesellschaften);
9. Vermögen, das nach § 15 AStG dem erweitert beschränkt Steuerpflichtigen zuzurechnen ist (betrifft Familienstiftungen und Trusts).
 

Rz. 49

Außerdem unterliegen gem. § 5 Abs. 1 AStG auch die Anteile an einer ausländischen Zwischengesellschaft i.S.d. §§ 7 ff. AStG anteilig der erweiterten beschränkten Erbschaftsteuerpflicht. Auf diese Weise wird eine Umgehung der erweiterten beschränkten Steuerpflicht durch die Zwischenschaltung ausländischer Gesellschaften verhindert. Vermögen oder Vermögensteile, deren Erträge dem Steuerpflichtigen nach § 5 AStG zuzurechnen sind, unterliegen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht.[121]

 

Rz. 50

Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 4 Abs. 1 AStG knüpft die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht an das Vorliegen der beschränkten Erbschaftste...

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