Rz. 35

Der Nießbrauch (als dingliches Recht) an einem Personengesellschaftsanteil kann bei entsprechender Ausgestaltung (also der Vermittlung sowohl von Mitunternehmerinitiative als auch von Mitunternehmerrisiko) die mitunternehmerische Beteiligung an einer Gesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG oder nach § 18 Abs. 4 S. 2 EStG vermitteln.[87] Die Beurteilung richtet sich nach ertragsteuerlichen Grundsätzen.[88] Soweit der Nießbrauch mitunternehmerisch ausgestaltet ist, stellt auch das Nießbrauchsrecht als solches (bewertungsrechtlich[89]) Betriebsvermögen i.S.v. § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BewG dar.[90] Es handelt sich um ein immaterielles Wirtschaftsgut des Sonderbetriebsvermögens des Nießbrauchers,[91] da seine Existenz bzw. Inhaberschaft die zwingende Voraussetzung für das Bestehen seiner Mitunternehmerstellung und damit für die Zurechnung gewerblicher Einkünfte bildet.[92]

Die Bewertung des Nießbrauchsrechts erfolgt nach Auffassung der Finanzverwaltung mit dem Kapitalwert nach §§ 13 bis 16 BewG.[93] Vor dem Hintergrund, dass die Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft (wie die Unternehmensbewertung grundsätzlich) an sich an den Ertragsaussichten orientiert ist (ggf. auch unter Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens), erscheint diese Sichtweise aber inkonsequent. Zwar erfolgt auch im Rahmen der Anwendung der §§ 13 bis 16 BewG eine Kapitalisierung (zukünftiger) Erträge. Allerdings ist hierfür ein Zinssatz von 5,5 % p.a. (statisch) vorgegeben und auch eine individuelle Berücksichtigung der Unternehmensplanung (zukünftige Erträge) ist hier kaum möglich.[94]

 

Rz. 36

Ist der Nießbrauch nicht mitunternehmerisch ausgestaltet, liegt hinsichtlich des Nießbrauchsrechts auch kein Sonderbetriebsvermögen vor. Auch in diesem Fall richtet sich die Bewertung nach den Vorgaben der §§ 13 bis 16 BewG.[95]

 

Rz. 37

Die dargestellten Bewertungsgrundsätze gelten sowohl für diejenigen Fälle, in denen das Nießbrauchsrecht aufgrund eines Erwerbs von Todes wegen oder einer Schenkung unter Lebenden in der Hand des Nießbrauchers entsteht, als auch dann, wenn ein Nießbrauchsrecht einem anderen zur Ausübung überlassen wird.[96] Außerdem sind sie auch dann anzuwenden, wenn der Nießbraucher zugunsten des Gesellschafters auf seine Rechtsstellung verzichtet,[97] insbesondere dann, wenn hierdurch seine Mitunternehmerstellung auf den Gesellschafter übergeht (bzw. sich dessen eigene Mitunternehmerstellung verstärkt).

[87] Eisele, in: Rössler/Troll, BewG, § 97 Rn 19a.
[88] Eisele, in: Rössler/Troll, BewG, § 97 Rn 19a.
[89] Der Zuwendungsgegenstand bestimmt sich allein nach dem Zivilrecht, vgl. R B 97.3 Abs. 1 S. 2 ErbStR 2019.
[90] R B 97.3 Abs. 1 S. 3 ErbStR 2019.
[91] BFH v. 1.9.2011 – II R 67/09, BStBl II 2013, 210; vgl. auch Eisele, in: Rössler/Troll, BewG, § 97 Rn 19a m.w.N.
[92] R B 97.3 Abs. 2 S. 1 ErbStR 2019.
[93] R B 97.3 Abs. 2 S. 4 ErbStR 2019.
[94] Kritisch zur Verwaltungsauffassung auch Eisele, in: Rössler/Troll, BewG, § 97 Rn 19a; Brüggemann, ErbBstg 2019, 308, 313.
[95] R B 97.3 Abs. 3 ErbStR 2019.
[96] R B 97.3 Abs. 1 S. 1 ErbStR 2019.
[97] R B 97.3 Abs. 4 ErbStR 2019.

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