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§ 27 ErbStG ist als gesetzliche Billigkeitsregelung zu verstehen.[1] Mehrfache Erwerbe von ein und derselben Person innerhalb von 10 Jahren können durch Kumulierung der Besteuerung ggf. einen Großteil des Erwerbs aufzehren. Dies wird durch § 27 ErbStG – allerdings nur für Erwerbe von Personen, die der Steuerklasse I zuzuordnen sind – abgemildert. Die Regelung betrifft nur (Letzt-)Erwerbe von Todes wegen.[2] Steuertechnisch wird die Abmilderung durch eine Steuerermäßigung der beim zweiten Erwerb zu erhebenden Steuer – von Amts wegen – vorgenommen.[3] Die Ermäßigung setzt voraus, dass der Erst- und der Letzterwerb steuerpflichtig sind. Die Ermäßigungsregelung des § 27 ErbStG erfasst nur Erwerbe innerhalb der engeren Familie, also von Angehörigen der Steuerklasse I.[4] Nach dem die Steuersätze der Steuerklassen II und III ab 2009 – wenn auch ab 2010 abgestuft (siehe dazu § 19 ErbStG Rdn 1) – drastisch angehoben worden sind, ist es m.E. nicht vertretbar, entsprechende Erwerbe aus der Ermäßigungsregelung des § 27 ErbStG herauszuhalten.[5]

[1] BT-Drucks 13/4839, S. 71.
[3] Die Steuerermäßigung ist relativ gering. Sofern Gestaltungen möglich sind, sind Direkterwerbe durch "Überspringen" einer Generation günstiger, so Jochum, in: Wilms/Jochum, ErbStG, § 27 Rn 4, 18 (Stand 11/2020).
[4] Eine Anwendung des § 27 ErbStG auf Erwerber der Steuerklasse II ist weder nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift noch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten (so BFH v. 22.8.2017 – II B 93/16, BFH/NV 2018, 40; FG Köln v. 16.11.2011 – 9 K 3197/10, ZErb 2012, 55; BFH v. 14.7.2011 – II B 27/11, BFH/NV 2011, 1881).
[5] Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, § 27 Rn 3.

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