Rz. 1

Der Gesetzgeber verhindert mit § 14 ErbStG durch Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe von derselben Person, dass durch das Aufteilen (Stückeln) von unentgeltlichen Erwerben (innerhalb von 10 Jahren) eine mehrfache Gewährung der persönlichen Freibeträge und/oder ein Progressionsvorteil durch niedrigere Steuersätze erlangt werden kann.[1] Nach § 14 ErbStG werden mehrere innerhalb von 10 Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile wie ein Erwerb besteuert. Auf die zusammengerechneten stpfl. Erwerbe i.S.d. § 10 ErbStG der letzten 10 Jahre wird der Steuersatz und der Freibetrag angewendet, der für den (Letzt-)Erwerb nach §§ 19, 19a ErbStG unter Berücksichtigung von §§ 21, 22, 26, 27 ErbStG aktuell anzuwenden ist. Die Regelung ist gleichermaßen auf den Erwerb von In- und Auslandsvermögen anzuwenden. Die auf den/die Vorerwerb/e entfallende Steuer wird angerechnet.

 

Beispiel

Vater V schenkt dem Sohn S im Jahre 2016 Vermögen im Werte von 500.000 EUR. 2020 verstirbt V und hinterlässt S weiteres Vermögen von 600.000 EUR.

Würde man die beiden Vorgänge getrennt behandeln, würden nach Abzug der persönlichen Freibeträge von 400.000 EUR bei der Schenkung in 2016 11 % von 100.000 EUR = 11.000 EUR und beim Erbfall in 2020 unter Berücksichtigung des Freibetrages in der Höhe von 400.000 EUR 11 % von 200.000 EUR = 22.000 EUR, zusammen 33.000 EUR Steuern anfallen. Durch die Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG werden beide Erwerbe als ein Erwerb i.H.v. 1.100.000 EUR behandelt. Es wird nur einmal der Freibetrag von 400.000 EUR abgezogen. Die 700.000 EUR sind mit 19 % zu versteuern (1.100.000 EUR ./. 400.000 EUR Freibetrag = 700.000 EUR x 19 % = 133.000 EUR). Die für den Erwerb von 2016 angefallene tatsächliche Steuer wird angerechnet (133.000 EUR ./. 11.000 EUR), zu zahlen für 2020 = 122.000 EUR.

 

Rz. 2

Die einzelnen Erwerbe unterliegen als selbstständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer (trotz der Zusammenrechnungsregelung in § 14 ErbStG). Weder werden die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines 10-Jahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die Regelung des § 14 ErbStG trifft lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb innerhalb des 10-Jahreszeitraums festzusetzen ist.[2] Die einzelnen Erwerbe bleiben selbstständige steuerpflichtige Vorgänge mit allen materiell- und formalrechtlichen Folgen, z.B. Steuerfestsetzungen für Vorerwerbe bleiben unberührt, ein (Vor-)Erwerb muss angezeigt werden, auch wenn innerhalb von 10 Jahren weitere Erwerbe von derselben Person folgen sollen.

Hinweis: Es ist nicht missbräuchlich, Zuwendungen/Erwerbe zeitlich so auszuführen, dass sie jeweils nach Ablauf von 10 Jahren erfolgen (Schenkung im 10-Jahresturnus); siehe noch Rdn 7 ff.[3] Ebenfalls nicht missbräuchlich ist es, z.B. Vermächtnisse in der Weise auszusetzen, dass der Vermächtnisnehmer mehrere Vermächtnisse im Abstand von je 10 Jahren und damit mehrfach nach dem Tod des Erblassers den Freibetrag im Verhältnis zum Erblasser erhält.

 

Beispiel

Vater setzt seine jüngere Frau als Alleinerbin ein und vermacht seinem Kind u.a. ein zeitlich aufschiebend bedingtes Vermächtnis (nach Ablauf von 10 Jahren und 3 Monaten sowie nach 20 Jahren und 6 Monaten) in Höhe des dann geltenden persönlichen Freibetrags.[4]

 

Rz. 3

Anzumerken ist: In § 13a Abs. 1 S. 2 und 3, § 13c Abs. 2 S. 2 ff. ErbStG sowie in § 28a Abs. 4 ErbStG sind zur Bestimmung des begünstigungsfähigen Vermögens Regelungen geschaffen worden, die mit den Zusammenrechnungsregelungen nach § 14 ErbStG vergleichbar sind.[5] Bzgl. der Prüfschwelle von 26 Mio. EUR sind von derselben Person anfallende mehrere Erwerbe begünstigten Vermögens innerhalb von 10 Jahren zusammenzurechnen. Hierbei handelt es sich um eine besondere Anordnung zur Berechnung des begünstigungsfähigen Vermögens und nicht direkt um eine Anordnung zur Berechnung der Steuer. Näheres siehe Erläuterungen zu § 13a Abs. 1 und § 13c Abs. 2 ErbStG. Außerdem sind bei dem Erlass nach § 28a ErbStG gem. § 28a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG Vermögenszuwächse innerhalb von 10 Jahren nach Entstehung der Steuer zu berücksichtigen, Näheres siehe Erläuterungen zu § 28a Abs. 4 ErbStG.

[1] Meincke, DStR 2007, 273; R E 14.1 Abs. 1 ErbStR 2019.
[2] BFH v. 7.10.1998 – II R 64/96, BStBl II 1999, 25; BFH v. 17.10.2001 – II R 17/00, BStBl II 2002, 52. Das verfahrensrechtliche Schicksal des Vorerwerbs ist im Rahmen des § 14 ErbStG bedeutungslos, so Hülsmann, in: Wilms/Jochum, ErbStG, § 14 Rn 12.
[3] Gebel, ZEV 2001, 213.
[4] Daragan/Tanck, ZErb 1999, 2; Fiedler, DStR 2001, 1651; Stein, ZEV 2011, 572.
[5] Durch das Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts v. 4.11.2016, BGBl I 2016, 2464.

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