Rz. 158

Die Forderung des § 13a Abs. 3 S. 1 ErbStG geht dahin, dass die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen des Unternehmens (einzelunternehmerischer Gewerbebetrieb, Betrieb einer Mitunternehmerschaft bzw. Kapitalgesellschaft) innerhalb der Lohnsummenfrist insgesamt 400 % der Ausgangslohnsumme,[350] mithin also die Mindestlohnsumme, erreichen muss. Im Falle der Vollverschonung ist die Lohnsummenfrist auf sieben Jahre verlängert, die Mindestlohnsumme auf 700 % erhöht, § 13a Abs. 10 ErbStG.[351]

 

Rz. 159

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Prüfung der Einhaltung oder Unterschreitung der Mindestlohnsumme – im Gegensatz etwa zur Prüfung der Mindestbeschäftigtenzahl[352] – nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht nur betriebsbezogen erfolgt. Bei Übertragung mehrerer wirtschaftlicher Einheiten begünstigten Vermögens in einem einheitlichen Vorgang an ein und denselben Erwerber sind vielmehr die Lohnsummen aller dieser wirtschaftlichen Einheiten zu einer Summe zusammenzufassen.[353] Dies gilt sowohl für die Ausgangslohnsumme als auch für die Mindestlohnsumme und die tatsächlich erreichte Lohnsumme.[354] Soweit zum begünstigt erworbenen Vermögen Beteiligungen an Personen- oder Kapitalgesellschaften gehören, sind die bei diesen anfallenden Lohnsummen anteilig entsprechend den Beteiligungsquoten zu berücksichtigen.[355]

 

Rz. 160

Die von der Finanzverwaltung geforderte Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung sämtlicher übertragener wirtschaftlicher Einheiten lässt sich nach wie vor[356] aus dem Gesetz kaum ableiten. § 13a Abs. 3 S. 1 ErbStG spricht ausdrücklich von der Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen "des Betriebs", so dass die zitierte Verwaltungsanweisung als willkürlicher Versuch erscheint, steueroptimierende Gestaltungen zu verhindern.[357] Natürlich kann die vorgeschlagene Gesamtbetrachtung sich durchaus zum Vorteil des Steuerpflichtigen auswirken, nämlich dann, wenn in einer von mehreren wirtschaftlichen Einheiten die Mindestlohnsumme nicht erreicht, in einer oder mehreren anderen aber deutlich überschritten wird, so dass es zu einer Überkompensation kommt. Der umgekehrte Fall ist aber nicht weniger wahrscheinlich. Insb. dann, wenn die Mindestlohnsumme in (bewertungsrechtlich) wertvollen Betrieben erreicht, in weniger wertvollen jedoch unterschritten wird, kann sich die angesprochene zusammenfassende Betrachtungsweise für den Steuerpflichtigen als fatal erweisen.[358] Ob die Rechtsprechung eine mehr am Wortlaut orientierte Auslegung der Vorschrift präferieren wird, bleibt indes nach wie vor abzuwarten. Im Rahmen der Planung bzw. bei Kontrollüberlegungen, wie eine begünstigungserhaltende Erreichung der Mindestlohnsumme gewährleistet werden kann, sollte jedenfalls die Auffassung der Finanzverwaltung zugrunde gelegt werden.

 

Rz. 161

Positiv zu bewerten ist die Entscheidung des Gesetzgebers, die Einhaltung des Lohnsummenkriteriums nicht einer jährlichen Prüfung zu unterziehen (wie dies zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens zum ErbStG 2009 noch geplant war), sondern stattdessen einen längeren Beobachtungszeitraum zugrunde zu legen. Denn eine Überprüfung der Mindestlohnsumme findet tatsächlich erst nach Ablauf der Lohnsummenfrist statt, selbst dann, wenn bereits viel früher absehbar ist, dass die Mindestlohnsumme nicht erreicht werden wird. Dies räumt dem Steuerpflichtigen – wenigstens grundsätzlich – die Möglichkeit ein, einen Abbau von Personal und damit verbundene Personalaufwendungen in Krisenzeiten in anderen, wirtschaftlich besseren Jahren auszugleichen. Darüber hinaus ist es grundsätzlich unerheblich, wie sich die Lohnsumme im Einzelnen zusammensetzt und ob bzw. inwieweit sie durch dieselben geschäftlichen Aktivitäten bzw. in denselben Teilbereichen wie die Ausgangslohnsumme anfällt. So kann also ohne Weiteres Personalabbau in einem Teilbereich des Betriebs durch eine entsprechende Aufstockung der Personaldecke in einem anderen Teilbereich kompensiert werden. Möglich ist auch eine vollständige geschäftliche Umorientierung mit Einstellung der bisherigen betrieblichen Aktivitäten unter gleichzeitigem Aufbau neuer Geschäftsfelder oder Zukauf neuer Betriebsteile oder ganzer Betriebe.[359]

 

Rz. 162

Die Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer spielt für die Einhaltung der Mindestlohnsumme ebenfalls keine Rolle. Vor diesem Hintergrund ist beispielsweise ein Abbau von Arbeitsplätzen im Niedriglohnbereich bei gleichzeitigem – zahlenmäßig zurückhaltenderem – Aufbau im Bereich übertariflich bezahlter Angestellter für die Lohnsumme unschädlich.[360] Im Hinblick darauf, dass auch bei der Bestimmung der Mindestlohnsumme sämtliche in § 13a Abs. 3 S. 8 ff. ErbStG genannten Leistungen an die Beschäftigten zu berücksichtigen sind, kann sich selbst eine Massenentlassung am Ende der Lohnsummenfrist positiv auf das Erreichen der Mindestlohnsumme auswirken, wenn in diesem Zusammenhang in entsprechendem Umfang Abfindungen gezahlt werden.[361] Bei Kapitalgesellschaften kommt auch die Erhöhung der Bezüge des Gesellscha...

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