Rz. 60

Bereicherung des Bedachten und Entreicherung des Zuwendenden müssen nicht deckungsgleich sein. Ausreichend ist nach dem Gesetzeswortlaut, wenn die Bereicherung auf Kosten des Zuwendenden erfolgt. Der Bereicherungsgegenstand muss daher nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Zuwendenden stammen (keine Stoffgleichheit).

 

Rz. 61

Die Entreicherung kann auf einer rechtsgeschäftlichen oder einer tatsächlichen Handlung beruhen. Voraussetzung ist, dass ein Vermögensbestandteil hingegeben wird. Es genügt die Hingabe eines nahezu wertlosen Gegenstandes, wie z.B. einer wertlosen Forderung.[130] Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese in der Hand des Bedachten wieder an Wert gewinnt.[131]

 

Rz. 62

An einer Entreicherung fehlt es außerdem, wenn die Vermögensminderung durch einen mit der Hingabe des Vermögens verbundenen Vermögensvorteil ausgeglichen wird. Bloße Erwartungen des Zuwendenden genügen als Vermögensvorteil jedoch nicht. Dementsprechend liegt in der Hingabe von Schmiergeld oder von Leistungen an Geschäftspartner (z.B. Incentive-Reisen), für die sich der Zuwendende künftig Aufträge oder die Verbesserung der geschäftlichen Beziehungen verspricht, kein Vermögensvorteil, der eine Entreicherung ausschließen würde.[132]

[130] Steht die Forderung unter einer aufschiebenden Bedingung, deren Eintritt höchst unwahrscheinlich ist, kann der Verkehrswert der Forderung im Schenkungszeitpunkt ebenfalls lediglich 1 EUR betragen. Die Schenkungsteuer bemisst sich aber nach dem Nennwert der Forderung bei Bedingungseintritt. Soll eine solche Besteuerung vermieden werden, kommt eine Veräußerung der bedingten Forderung zum Verkehrswert (1 EUR) anstelle einer Schenkung in Betracht. Dazu ausführlich Daragan, ZErb 2011, 203.
[131] RFH v. 23.6.1938 – IIIe 81/37, RStBl 1938,749. Nicht ausreichend ist es demgegenüber nach der Entscheidung des BFH v. 25.11.2020 – II R 25/18, BeckRS 2017, 151663, wenn der Zuwendende veranlasst, dass ein Dritter dem Empfänger unmittelbar einen Vorteil gewährt, ohne dass der Zuwendende am Vermögen des Dritten ein Recht oder einen Anspruch innehat (Fall der Veruntreuung zugunsten eines Dritten).
[132] OFD Münster v. 2.10.2003, DStR 2003, 2225; Rödl/Seltenreich, § 7 S. 346.

a) Forderungsverzicht

 

Rz. 63

Der Verzicht auf bloße Erwerbsaussichten, wie das potentielle Pflichtteilsrecht des gesetzlichen Erben zu Lebzeiten des Erblassers oder die erwartete Zugewinnausgleichsforderung vor Beendigung der Zugewinngemeinschaft, die mangels Konkretisierung noch keinen Vermögensbestandteil bilden, führt daher – mangels Vermögensminderung – nicht zu einer Entreicherung. Gleiches gilt für ein Anwartschaftsrecht, dessen Erstarkung zum Vollrecht noch von einer ungewissen Bedingung abhängt (§ 517 BGB). Verzichtet demgegenüber ein Ehegatte vor Eingehung der Ehe auf eine möglicherweise künftig entstehende Zugewinnausgleichsforderung gegen Zahlung einer Pauschalabfindung, erfüllt diese Zahlung den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.[133]

 

Rz. 64

Bei dem Verzicht auf eine Forderung mit Besserungsschein zum Zwecke der Sanierung eines Unternehmens, steht der Forderungsverlust unter einer auflösenden Bedingung in Form der Besserungsabrede (§ 158 Abs. 2 BGB). Die Entreicherung wird durch die zukünftige Ertragserwartung ausgeglichen. Es kommt im Ergebnis nicht zu einem Vermögensverlust, sondern lediglich einer Vermögensumschichtung von uneinbringbaren Werten gegen Erwerbsaussichten.[134] Wendet der Zuwendende dem Bedachten eine Forderung mit Besserungsabrede unentgeltlich zu (Schenkung der mit einer Besserungsabrede behafteten Forderung), ist erst dann eine Schenkung zu bejahen, wenn die Bedingung eintritt und die Forderung in den Händen des Bedachten wieder werthaltig wird.[135] Denn bis zu diesem Zeitpunkt ist der Erwerb mit der Übertragung eines Anwartschaftsrechts vergleichbar, der erst bei Bedingungseintritt zu einer Entreicherung beim Zuwendenden führt. Unerheblich ist dabei, wie die Besserungsabrede zivilrechtlich einzustufen ist.[136]

[133] BFH v. 1.9.2021 – II R 40/19, DStR 2022, 148 in Abgrenzung von einer nicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerbaren sog. Bedarfsabfindung, bei der die Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung umfassend individuell regeln und für den Fall der Beendigung der Ehe eine Zahlung vereinbaren, die erst zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu leisten ist.
[134] FG Rheinland-Pfalz v. 15.9.2005 – 4 K 2436/02, EFG 2005, 1890, zumindest aber nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG steuerfrei; Rödl/Seltenreich, § 7 S. 346.

b) Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft

 

Rz. 65

Keine Entreicherung liegt vor, wenn die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft der Gesellschaft Zuschüsse entsprechend ihren Beteiligungsverhältnissen gewähren. Denn durch die Zuschüsse erhöht sich zugleich mittelbar der jeweilige Anteilswert. Diese Wertsteigerung des Geschäftsanteils beinhaltet einen Vorteilsausgleich, der ...

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