Rz. 44

Ob es sich bei einem zu bewertenden Erwerbsgegenstand überhaupt um Grundbesitz i.S.d. erbschaftsteuer- bzw. bewertungsrechtlichen Vorschriften handelt, kann insbesondere bei noch nicht vollständig erfüllten Grundstückskaufverträgen zweifelhaft sein. Insoweit ist entscheidend auf den zivilrechtlichen Eigentumsbegriff abzustellen, nicht aber auf das wirtschaftliche Eigentum bzw. den – ggf. vertraglich definierten – Zeitpunkt des Übergangs von Besitz, Nutzen und Lasten.[94] Da zivilrechtlich für den Eigentumsübergang gem. § 873 BGB die Eigentumsumschreibung im Grundbuch maßgeblich ist, kann vor diesem Ereignis auch für Zwecke der Erbschaft- bzw. Schenkungbesteuerung kein Eigentumsübergang vom Veräußerer auf den Erwerber angenommen werden. Dies gilt auch dann, wenn die Beteiligten alles ihrerseits Erforderliche getan haben, um die (spätere) Eigentumsumschreibung im Grundbuch zu erwirken, also insbesondere dann, wenn bereits die Auflassung sowie die entsprechenden Eintragungsbewilligungen erklärt bzw. bewirkt wurden.[95]

 

Rz. 45

Demzufolge gehört, im Falle des Todes des Grundstücksverkäufers vor Eigentumsumschreibung im Grundbuch, das veräußerungsgegenständliche Grundstück noch zu seinem Nachlass.[96] Gleiches gilt für die kaufvertragliche Übereignungsverpflichtung sowie die entsprechenden Kaufpreisansprüche und sonstige vertraglich vereinbarte Rechte und Pflichten.[97] Diese sind allesamt erbschaftsteuerrechtlich zu erfassen und zu bewerten, wobei die entsprechenden Sachleistungsverpflichtungen bzw. Sachleistungsansprüche nicht mit dem Steuerwert des Gegenstandes (auf den sich der jeweilige Sachleistungsanspruch richtet) zu bewerten sind, sondern mit ihrem jeweiligen gemeinen Wert.[98] Das gilt insbesondere auch für Ansprüche, die auf eine Grundstücksübereignung gerichtet sind.[99]

Dasselbe gilt spiegelbildlich auch für den Fall des Versterbens des Grundstückskäufers vor Eigentumsumschreibung.

 

Rz. 46

Klarstellend ist festzuhalten, dass die soeben dargestellten Grundsätze nur im Hinblick auf Erwerbe von Todes wegen relevant sind. Die von den zivilrechtlichen Voraussetzungen für den Eigentumsübergang abweichenden Regelungen über die Ausführung von Grundstücksschenkungen (vgl. R E 9.1 ErbStR 2019) bleiben hiervon unberührt.[100]

[94] R E 12.2 Abs. 1 S. 1 u. 2 ErbStR 2019.
[95] Vgl. R E 12.2 Abs. 1 S. 4 ErbStR 2019.
[96] R E 12.2 Abs. 2 S. 2 ErbStR 2019.
[97] R E 12.2 Abs. 2 S. 3 ErbStR 2019.
[98] R E 12.2 Abs. 2 S. 4 ErbStR 2019.
[99] R E 12.2 Abs. 2 S. 5 ErbStR 2019.
[100] R E 12.2 Abs. 3 ErbStR 2019.

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