Gesetzestext

 

(1)Der wirkliche Erbe kann von dem Besitzer eines unrichtigen Erbscheins die Herausgabe an das Nachlassgericht verlangen.

(2)Derjenige, welchem ein unrichtiger Erbschein erteilt worden ist, hat dem wirklichen Erben über den Bestand der Erbschaft und über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände Auskunft zu erteilen.

A. Herausgabeanspruch

 

Rz. 1

Der Herausgabeanspruch nach § 2362 BGB ist ein direkter Anspruch des wirklichen Erben gegenüber dem bisherigen durch den Erbschein ausgewiesenen Erben. Dieser Anspruch auf Herausgabe des Erbscheins an das Nachlassgericht stellt für den wirklichen Erben eine Möglichkeit dar, die schädlichen Wirkungen eines unrichtigen Erbscheins zu vermeiden, ohne ein ggf. zeitlich länger dauerndes Einziehungsverfahren durch das Nachlassgericht abwarten zu müssen.[1] Der Anspruch aus § 2362 BGB ist ein materieller Anspruch, der prozessual durchsetzbar ist, falls sich der bisher durch den Erbschein ausgewiesene Erbe weigert, diesen an das Nachlassgericht herauszugeben. In einem anhängigen Rechtsstreit zwischen Erbprätendenten kann es ggf. empfehlenswert sein, die anhängige Klage mit dem Anspruch auf Herausgabe des Erbscheins an das Nachlassgericht zu verbinden. Die Zwangsvollstreckung richtet sich nach § 883 ZPO über die Herausgabe von beweglichen Sachen. Der Gerichtsvollzieher hat den Erbschein an sich zu nehmen und diesen an das Nachlassgericht herauszugeben. Die erzeugte Wirkung der Herausgabe nach § 2362 BGB ist, dass der Erbschein, sofern er an das Nachlassgericht herausgegeben wurde, dieselbe ist wie nach § 2361 Abs. 1 BGB, der Erbschein wird dadurch kraftlos.[2]

Neben dem wirklichen Erben haben auch der Nacherbe und der Testamentsvollstrecker (nach § 2363 BGB) einen Herausgabeanspruch.

[1] MüKo/Grziwotz, § 2362 Rn 1.
[2] Vgl. Soergel/Zimmermann, § 2362 Rn 1.

B. Auskunftsanspruch

 

Rz. 2

Der Erbe hat neben dem Herausgabeanspruch auch einen Anspruch auf Auskunft nach Abs. 2 gegen jedermann, dem ein unrichtiger Erbschein erteilt wurde.[3] Denn der Erbschein kann nicht nur in den Händen des bisherigen durch den Erbschein ausgewiesenen Erben schädliche Wirkungen für den wirklichen Erben entfalten, sondern auch, wenn der Erbschein an einen Gläubiger des bisher ausgewiesenen Erben erteilt wurde oder an einen Testamentsvollstrecker. Der Auskunftsanspruch nach Abs. 2 i.V.m. §§ 260, 261 BGB berechtigt den wirklichen Erben, nicht nur Auskunft über den tatsächlichen Besitz von Erbschaftsgegenständen, sondern auch über den Bestand des Nachlasses insgesamt zu verlangen.[4]

Der Auskunftsanspruch des Nacherben entsteht erst mit dem Eintritt des Nacherbfalls, da eine entsprechende Bezugnahme in § 2362 Abs. 2 fehlt.[5]

[3] Palandt/Weidlich, § 2362 Rn 2.
[4] Palandt/Weidlich, § 2362 Rn 6.
[5] MüKo/Grziwotz, § 2363 Rn 3.

C. Praxisrelevanz

 

Rz. 3

In der Praxis spielt der Herausgabeanspruch nach § 2362 BGB nur eine sehr untergeordnete Rolle; überwiegend erfolgt die Beseitigung des unrichtigen Erbscheins aus dem Rechtsverkehr durch die Einziehung nach § 2361 BGB.[6] Dies aus zwei Gründen: Zum einen ist die prozessuale Durchsetzung des Herausgabeanspruchs nach § 2362 BGB mit erheblichen Kostenrisiken, wie bei jedem anderen Zivilprozess, verbunden; ferner dürfte auch die prozessuale Durchsetzung des Herausgabeanspruches nicht wirklich schneller zum Ziel führen, da im regulären Zivilprozess, gerade im Erbprozess, die Beweisaufnahme sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Zum anderen erzeugt der Einziehungsbeschluss nach § 2361 BGB die Wirkung nach § 2366 Hs. 2 BGB, dass derjenige, der von dem Einziehungsbeschluss Kenntnis hat, sich nicht mehr auf den öffentlichen Glauben des Erbscheins berufen kann, was einen redlichen Erwerb in diesem Moment ausschließt.[7]

[6] Soergel/Zimmermann, § 2362 Rn 1.
[7] MüKo/Grziwotz, § 2362 Rn 2.

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