1. Sachliche Zuständigkeit

 

Rz. 14

Sachlich ist das Amtsgericht als Nachlassgericht nach § 2353 i.V.m § 23a GVG, § 342 Abs. 1 Nr. 6 FamFG zuständig. Funktionell ist die Erteilung des Erbscheins Aufgabe des Rechtspflegers nach § 3 Nr. 2 Buchst. c RPflG. Vorbehaltlich § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG, wonach die Erteilung des Erbscheins dem Richter vorbehalten ist, sofern eine Verfügung von Todes wegen vorliegt, also in allen Fällen einer gewillkürten Erbfolge, oder sofern ausländisches Recht zur Anwendung kommt. Ferner ist dem Richter auch die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses nach § 2368 BGB vorbehalten, wie auch die Erteilung eines gegenständlich beschränkten Erbscheins nach § 352c FamFG.[26] Für die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ENZ) ist nach § 16 Abs. 2 RPflG der Richter zuständig, sofern eine letztwillige Verfügung von Todes wegen vorliegt oder die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht kommt. In den besonderen Fällen des § 16 Abs. 3 RPflG ist es dem Richter erlaubt, die Erteilung des Erbscheins, eines ENZ, eines Zeugnisses nach §§ 36 und 37 GBO oder nach §§ 42, 74 SchiffsRegO, sofern trotz Vorliegens einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen gesetzliche Erbfolge Anwendung findet und deutsches Recht zur Anwendung gelangt, auf den Rechtspfleger zu übertragen. Der Rechtspfleger ist dabei an die Rechtsauffassung des Richters gebunden. Der Rechtspfleger ist also insbesondere in den Fällen zuständig, in denen die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung gelangt oder der Richter ihm die Erteilung des Erbscheins übertragen hat, weil keine wirksame Verfügung von Todes wegen vorlag. Im Einzelfall hat der Richter aber zu klären, ob eine wirksame Verfügung von Todes wegen vorliegt; bejaht er dies und gelangt trotzdem die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung, kann der Richter die Erteilung des Erbscheins auf den Rechtspfleger übertragen, sofern deutsches Erbrecht anzuwenden ist (im Einzelnen aber str).[27]

[26] Firsching/Graf/Krätzschel, Nachlassrecht, § 38 Rn 16.
[27] Palandt/Weidlich, § 2353 Rn 17.

2. Örtliche Zuständigkeit

 

Rz. 15

Die örtliche Zuständigkeit ist in § 343 FamFG geregelt. Maßgeblich ist dabei der gewöhnliche Aufenthaltsort des Verstorbenen im Inland im Todeszeitpunkt,[28] wobei sich jedoch durch sich verändernde Wohnformen im Alter sowie z.B. durch den Aufenthalt in einem Hospiz Abgrenzungsprobleme stellen können.[29] Hatte der Erblasser im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthaltsort, so ist das Nachlassgericht zuständig, in dessen Bezirk er seinen letzten Aufenthaltsort hatte. Verstirbt ein Erblasser, der mehrere Wohnsitze in Deutschland hatte, ist dasjenige Gericht zuständig gem. § 2 Abs. 1 FamFG, welches in der Sache als erstes tätig wurde. In den Fällen, in denen am Sitz des zuständigen Nachlassgerichts die deutsche Gerichtsbarkeit nicht mehr ausgeübt wird (Gebiete östlich der Oder-Neiße-Grenze), ist jedes Nachlassgericht zuständig, in dessen Bezirk sich Nachlassgegenstände befinden. Lässt sich dies nicht ermitteln, ist das AG Berlin-Schöneberg zuständig..[30] Lässt sich der gewöhnliche Aufenthaltsort im Inland nicht ermitteln, so ist der letzte gewöhnliche Aufenthaltsort im Inland nach § 343 Abs. 2 FamFG maßgeblich. Ist der Erblasser verstorben, ohne dass sein gewöhnlicher Aufenthaltsort in Deutschland lag und hat er Nachlassgegenstände im Inland hinterlassen, so ist nach § 343 Abs. 3 FamFG das AG Berlin-Schöneberg zuständig.

[28] Keidel/Zimmermann, § 343 FamFG Rn 37.
[30] Palandt/Weidlich § 2353 Rn 6.

3. Interlokale Zuständigkeit

 

Rz. 16

Interlokale Zuständigkeitsfragen stellen sich in Deutschland lediglich für das Gebiet der ehemaligen DDR vor der Wiedervereinigung.[31] Nach dem Vollzug der Wiedervereinigung ist die Frage der örtlichen Zuständigkeit ausschließlich nach Maßgabe des § 343 Abs. 1 FamFG zu bestimmen, dies auch für Erblasser, die vor dem 3.10.1990 mit letztem Wohnsitz in dem Staatsgebiet der ehemaligen DDR verstorben sind.[32]

[31] Soergel/Zimmermann, § 2353 Rn 6.
[32] Lange/Kuchinke, § 39 I Rn 3b; Sprau, ZAP 1997, 1091.

4. Geltungsbereich einer Höfeordnung

a) Allgemeines

 

Rz. 17

Hinterlässt ein Erblasser Vermögen, welches von einer Höfeordnung erfasst wird, zählt also auch ein Bauernhof zu dem Nachlass, besteht eine besondere sachliche und örtliche Zuständigkeit des Landwirtschaftsgerichts nach § 18 Abs. 2 HöfeO[33] in Abweichung von §§ § 342 Abs. 1 Nr. 6, 343 FamFG. Bundesländer, in denen die HöfeO zur Anwendung gelangt, sind: Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein Westfalen. In Baden-Württemberg gilt in bestimmten festgelegten Bezirken (ehemaligen badischen Landesteilen) das badische Gesetz, die geschlossenen Hofgüter betreffend. In den Regierungsbezirken Stuttgart und Karlsruhe gilt das württembergische Gesetz über das Anerbenrecht. In allen anderen Landesteilen von Baden-Württemberg gelten lediglich die §§ 2049, 2312 BGB und die besonderen Regelungen des GrdstVG. Auch in Bayern, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gelten lediglich die §§ 2049, 2312 BGB und die besonderen Regelungen des GrdstVG

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