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Die Interessenlage der Beteiligten und das Machtgefüge unter ihnen können bei Erb- und Pflichtteilsverzichten denen bei Eheverträgen stark ähneln. Gerade volljährige Kinder sind ihren Eltern oft an Lebenserfahrung und Verhandlungsgeschick unterlegen, ähnlich wie es etwa bei aus dem Ausland zugezogenen Ehegatten der Fall sein kann. Sie sind zudem meist wirtschaftlich abhängig – "Übermacht- und Schwächesituation".[66] Eine Ausbildung ohne finanzielle Unterstützung zu absolvieren kann eine ähnliche Abhängigkeit ergeben wie bei Ehegatten, von denen nur einer über gute Einkommens- und Vermögensverhältnisse verfügt. Diese Konstellationen könnten bei Eheverträgen Gegenstand der Wirksamkeitskontrolle sein.[67]

Eine wesentliche Änderung der Umstände mit der Folge der Ausübungskontrolle könnte gesehen werden, wenn der Pflichtteilsberechtigte mit Rücksicht auf die Familientradition und im Vertrauen auf eine Versorgung aller Angehöriger durch ein Familienunternehmen auf den Pflichtteil verzichtet, das Unternehmen aber dann vor dem Erbfall verkauft wird.

Denkbar ist schließlich, dass bei einer Eheschließung ein nach den Kriterien des BGH unwirksamer Ehevertrag geschlossen wird, der mit einem Erb- und/oder Pflichtteilsverzicht verbunden oder von ihm begleitet wird. Erleidet der Erbverzicht dann dasselbe Schicksal wie der Ehevertrag?[68]

[66] Inkmann, Die Sittenwidrigkeit von Pflichtteilsverzichten, S. 174–224.
[67] Weitere Beispiele: Wachter, ZErb 2004, 238, 238 f.
[68] Ebenso in diese Richtung: Reetz, DNotZ 2017, 809, 822; vgl. auch Milzer, NZFam 2018, 271; OLG Bamberg – 2 UF 247/14, BeckRS 2016, 118611 (nachgehend, nicht dazu: BGH – XII ZB 109/17, NJW 2017, 1883).

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