Gesetzestext

 

(1)1Soweit der Erbe zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist, kann der Pflichtteilsberechtigte von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks zum Zwecke der Befriedigung wegen des fehlenden Betrags nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. 2Ist der Pflichtteilsberechtigte der alleinige Erbe, so steht ihm das gleiche Recht zu.

(2)Der Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung des fehlenden Betrags abwenden.

(3)Unter mehreren Beschenkten haftet der früher Beschenkte nur insoweit, als der später Beschenkte nicht verpflichtet ist.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Oft wird angenommen, dass der Beschenkte selbst Schuldner des Pflichtteilsergänzungsanspruchs sei. Diesem Irrtum liegt der Gedanke zugrunde, dass derjenige, der vom Erblasser ein Geschenk erhalten habe, auch für den daraus resultierenden Pflichtteilsergänzungsanspruch haften müsse. Dies trifft nicht zu. Grundsätzlich sind der oder die Erben Schuldner des Pflichtteilsergänzungsanspruchs. Nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 2329 BGB vorliegen und der Erbe selbst nicht verpflichtet ist, kann gegen den Beschenkten vorgegangen werden.

 

Rz. 2

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2329 BGB gegen den Beschenkten unterscheidet sich vom Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Erben nur durch Art und Umfang der Haftung. Im Gegensatz zum Ergänzungsanspruch gegenüber dem Erben handelt es sich bei dem Anspruch aus § 2329 BGB nur um einen bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruch. Der Beschenkte hat die Möglichkeit, die Herausgabe des Geschenks durch Zahlung eines Geldbetrages abzuwenden, Abs. 2. Der Anspruch aus § 2329 BGB ist subsidiär zum Anspruch aus § 2325 BGB. Die Ausgleichungspflicht des § 2057a BGB kann aber nur bei einem Pflichtteilergänzungsanspruch nach § 2325 BGB von Bedeutung sein und nicht im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nach § 2329 BGB, bei dem es an einem vorhandenen bzw. zur Befriedigung des Ergänzungsberechtigten ausreichenden Nachlass fehlt.[1]

 

Rz. 3

Der Erbe, der selbst Beschenkter ist, kann nach § 2325 BGB als Erbe und zusätzlich auch nach § 2329 BGB als Beschenkter in Anspruch genommen werden.[2] Dies ist der Fall, wenn er zur Erfüllung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nach § 2325 BGB nur teilweise verpflichtet ist. Ist der Beschenkte selbst pflichtteilsberechtigt, so steht ihm die Einrede des § 2328 BGB zu.[3] Der Anspruch aus § 2329 BGB ist dann dem Rechtsgrund nach Pflichtteilsergänzungsanspruch.[4] Lediglich für die Frage der Haftung ist auf die Vorschriften der §§ 812 ff. BGB zurückzugreifen.[5]

 

Rz. 4

Die zehnjährige Ausschlussfrist des § 2325 Abs. 3 BGB kommt auch dem Beschenkten zugute.[6] Vererblichkeit, Übertragbarkeit und Pfändbarkeit des Anspruchs aus § 2329 BGB richten sich nach § 2317 BGB, § 852 ZPO. Der Schenkungsbegriff der §§ 2325, 2329 BGB ist grundsätzlich identisch mit dem des § 516 BGB.[7]

 

Rz. 5

Für die Verjährung gilt § 2332 Abs. 2 BGB, wonach die Verjährungsfrist – kenntnisunabhängig – für die Inanspruchnahme des Beschenkten aus § 2329 BGB bereits mit dem Erbfall zu laufen beginnt.

 

Rz. 6

Der Beschenkte haftet nach § 2329 BGB erst dann, wenn der Erbe selbst nicht mehr verpflichtet ist. Kurz gesagt: Die Haftung des Beschenkten beginnt dort, wo die des Erben aufhört. Grundvoraussetzung für den Anspruch aus § 2329 BGB ist, dass der Nachlass wenigstens durch Hinzurechnung der ergänzungserheblichen Schenkungen "aktiv" wird.[8]

[1] KG BeckRS 2010, 29656.
[2] BGH FamRZ 1968, 150.
[3] BGH FamRZ 1983, 377; BGH NJW 1983, 1480.
[4] RGZ 189, 222.
[5] Staudinger/Olshausen, § 2329 Rn 24, 31.
[6] RGZ 81, 204.
[7] LG Paderborn BeckRS 2011, 24446.
[8] Soergel/Dieckmann, § 2329 Rn 5.

B. Tatbestand

I. Gläubiger

 

Rz. 7

Voraussetzung für die Geltendmachung des Anspruchs ist, dass der Gläubiger zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten nach § 2303 BGB gehört. Sein Pflichtteilsrecht muss bestehen; er darf es nicht durch Pflichtteilsverzicht, § 2346 Abs. 2 BGB, oder durch eine Pflichtteilsentziehung, §§ 2333 ff. BGB, verloren haben oder aufgrund einer Pflichtteilsunwürdigkeit, § 2345 BGB, ausgeschlossen sein.[9] Pflichtteilsergänzungsansprüche des Alleinerben richten sich nach Abs. 1 S. 2 von vornherein gegen den Beschenkten. Steht mehreren pflichtteilsberechtigten Miterben ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zu, so kann jeder der Miterben für sich und unabhängig von den übrigen seinen Anspruch gegen den Beschenkten geltend machen, wenn der Nachlass wertlos ist oder zur Befriedigung der Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht ausreicht. Es ist nicht erforderlich, dass die anderen Miterben die Einrede des § 2328 BGB erhoben haben.[10] Grundsätzlich kann auch ein Sozialhilfeträger aus übergeleitetem Recht Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Beschenkten geltend machen.[11]

[9] Burandt/Rojahn/Horn, § 2329 Rn 7.
[10] Burandt/Rojahn/Horn, § 2329 Rn 10; BGH NJW 1981, 1446.

II. Schuldner des Anspruchs

 

Rz. 8

Der vom Erblasser Beschenkte ist Schuldner des Anspruchs. Er muss eine Schenkung i.S.d. § 2325 BGB erhalten haben. Ist der vom E...

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