Rz. 16

Die Frage, ob der Pflichtteilsberechtigte sich auch dann an den Beschenkten halten kann, wenn der verpflichtete und unbeschränkt haftende Erbe zahlungsunfähig ist, wurde von der Rspr. bislang nicht entschieden. Diese Frage ist in der Lit. sehr stark umstritten: Kipp/Coing[26] bejahen den Durchgriff auf den Beschenkten. Es liege eine Regelungslücke vor, die der Gesetzgeber nicht bedacht habe. Dem Pflichtteilsberechtigten könne das Insolvenzrisiko des Erben nicht auferlegt werden. Dies liege bereits in der Natur der Sache selbst und sei auch trotz des Wortlautes des § 2329 BGB nicht gerechtfertigt. Außerdem sei nach dem Grundgedanken des Gesetzes der Durchgriff auf den Beschenkten immer dann gerechtfertigt, wenn der Anspruch aus dem Nachlass nicht beglichen werden könne.[27] Dem ist entgegenzuhalten, dass sich aus dem Gesetz gerade nicht entnehmen lässt, dass der Beschenkte auch das Insolvenzrisiko des Erben trägt. Haftete er bereits unbeschränkt für den Pflichtteilsergänzungsanspruch, bleibt es bei dieser Verpflichtung, und zwar auch dann, wenn der Erbe momentan zur Erfüllung nicht in der Lage ist. Der Erbe könnte sich seiner Verpflichtung zur Erfüllung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs leicht entledigen. Er bräuchte sich nur vorübergehend vermögenslos zu stellen. Der Pflichtteilsergänzungsberechtigte könnte sich dann an den Beschenkten halten. Würde der Erbe aber innerhalb der darauf folgenden 30 Jahre wieder in der Lage sein, den Ergänzungsanspruch zu befriedigen, würde dies unberücksichtigt bleiben. Da der Beschenkte nach dem Willen des Gesetzgebers nur subsidiär haftet, also dann, wenn der Erbe ausnahmsweise nicht in Anspruch genommen werden kann, bürdet der Gesetzgeber ihm gerade nicht das Insolvenzrisiko des Erben auf. Der Beschenkte genießt einen besonderen Schutz. Er kann gegenüber dem Pflichtteilsergänzungsberechtigten den Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB geltend machen. Eine weitere Privilegierung des Beschenkten zeigt sich in den Vorschriften über die Verjährung.[28]

[26] Kipp/Coing, S. 97.
[27] Staudinger/Olshausen, § 2329 Rn 10.
[28] Vgl. hierzu auch Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 10 Rn 15 ff.; Lenz/Riedel, ZErb 2001, 4, 6.

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