Gesetzestext

 

(1)Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.

(2)1Eine verbrauchbare Sache kommt mit dem Werte in Ansatz, den sie zur Zeit der Schenkung hatte. 2Ein anderer Gegenstand kommt mit dem Werte in Ansatz, den er zur Zeit des Erbfalls hat; hatte er zur Zeit der Schenkung einen geringeren Wert, so wird nur dieser in Ansatz gebracht.

(3)1Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. 2Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. 3Ist die Schenkung an den Ehegatten erfolgt, so beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Als Ausdruck einer über den Tod hinausgehenden Fürsorgepflicht des Erblassers für seine nächsten Angehörigen soll das Pflichtteilsrecht eine Mindestteilhabe am Vermögen des Erblassers sichern. Allein eine Mindestteilhabe am (zufällig noch vorhandenen) realen Nachlass wäre hierzu aber nicht ausreichend, hätte doch der Erblasser die Möglichkeit, sich noch zu seinen Lebzeiten vermögenslos zu stellen und so den Pflichtteilsanspruch auszuschließen. Vor diesem Hintergrund verfolgt der Gesetzgeber durch den eigenständigen Ergänzungsanspruch – außerordentlicher Pflichtteilsanspruch[1] – das Ziel, eine Mindestbeteiligung nicht nur am realen Nachlass, sondern am tatsächlichen wirtschaftlichen Wert des lebzeitigen Vermögens des Erblassers zu gewährleisten.[2]

[1] BGHZ 103, 333; BGH NJW 1997, 2676, 2677; Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 5.
[2] BGH NJW 1997, 2676; BGH ZEV 2004, 115, 117; BeckOGK/Schindler, § 2325 Rn 2.

B. Tatbestand

I. Person des Anspruchsberechtigten

 

Rz. 2

Anspruchsinhaber kann nur sein, wer – abstrakt – dem Kreis der Pflichtteilsberechtigten angehört.[3] Das Bestehen eines ordentlichen Pflichtteilsanspruchs ist nicht erforderlich.[4] Daher können auch für den gesetzlichen Erben[5] oder sogar den zum Alleinerben[6] (insoweit allerdings nur über § 2329 BGB, da der Alleinerbe natürlich nur gegenüber dem Beschenkten und nicht gegenüber sich selbst Ansprüche geltend machen kann; nichtsdestotrotz setzt § 2329 BGB aber zunächst das Vorliegen des Tatbestandes des § 2325 BGB voraus) Eingesetzten durchaus Pflichtteilsergänzungsansprüche in Betracht kommen.[7] Voraussetzung ist lediglich, dass der Anspruchsteller weniger erhält, als der Summe aus Ergänzungspflichtteil und ordentlichem Pflichtteil (Gesamtpflichtteil)[8] entspricht.[9] Das gilt natürlich auch für den pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer.[10]

 

Rz. 3

Auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch unterliegt den Regelungen des § 2309 BGB, so dass entferntere Pflichtteilsberechtigte (Eltern und Abkömmlinge) durch nähere ausgeschlossen werden, soweit der nach § 2309 BGB Weggefallene selbst den Ergänzungsanspruch geltend machen kann oder das ihm Hinterlassene annimmt.[11] Im Übrigen führt eine ansonsten pflichtteilsschädliche Ausschlagung nie zum Verlust des Pflichtteilsergänzungsanspruchs;[12] es kann höchstens zu einer Minderung um den in § 2326 S. 2 BGB bezeichneten Mehrwert kommen.[13]

 

Rz. 4

Nach der früheren Rspr. des BGH bezog sich der Schutzzweck des § 2325 BGB nur auf solche Personen, die sowohl im Zeitpunkt der Schenkung als auch beim Erbfall zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten zählten, sog. Doppelberechtigung des Pflichtteilsergänzungsberechtigten.[14] Diese Theorie stützte sich auf den Gedanken, dass durch § 2325 BGB lediglich eine Art Bestandsschutz erreicht werden solle. Verschenkten Vermögenswerten, die vor dem Entstehen der abstrakten Pflichtteilsberechtigung des Betroffenen zum Vermögensbestand des (späteren) Erblassers gehört hätten und bei Eintritt der abstrakten Pflichtteilsberechtigung bereits abgeflossen gewesen seien, käme insoweit keine Bedeutung zu. Der Pflichtteilsberechtigte hätte nämlich bzgl. solcher Gegenstände zu keinem Zeitpunkt eine berechtigte Erberwartung gehabt. Eine Person, die erst nach einer Schenkung die pflichtteilsrechtliche Legitimation erwerbe, kenne keine anderen Vermögensverhältnisse als diejenigen nach der Schenkung[15] und sei daher auch nicht schützenswert i.S.d. §§ 2325 ff. BGB. Aufgrund dieser Rspr. konnten bspw. Ehegatten nur bzgl. nach der Heirat vom anderen Ehegatten getätigter Schenkung Pflichtteilsergänzungsansprüche zustehen.[16] Auch Pflichtteilsergänzungsansprüche ehelicher Kinder konnten nur durch solche Schenkungen der Eltern ausgelöst werden, die nach deren Eheschließung erfolgt waren, es sei denn, das ergänzungsberechtigte Kind war schon vor der Eheschließung gezeugt.[17] Und Adoptivkinder konnten Pflichtteilsergänzungsansprüche nur wegen solcher Schenkungen geltend machen, die nach ihrer Adoption erfolgt waren.[18]

 

Rz. 5

Mit dem Wortlaut[19] und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 2325 BG...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge