Rz. 99

Obwohl höchstrichterlich noch nicht entschieden,[379] stellt sich angesichts der vom BGH für den Fristbeginn geforderten "wirtschaftlichen" Vermögensausgliederung bzw. des Genussverzichts die Frage, ob ein Widerrufsvorbehalt in einem Übergabevertrag (bedingter Rückübertragungsanspruch) der Ingangsetzung der Frist des Abs. 3 entgegensteht. In der Lit. wird der Fristbeginn bei freien, also nicht tatbestandlich eingegrenzten Rückerwerbsrechten teilweise verneint, da der Schenker den jeweiligen Vermögensgegenstand nicht endgültig aus seinem Vermögen ausgegliedert habe.[380] Richtigerweise sollte man davon ausgehen, dass Rückforderungsrechte – gleich wie umfangreich sie ausgestaltet sind – dem Beginn der Zehnjahresfrist nicht entgegenstehen, solange sie nicht tatsächlich ausgeübt werden. Die Ungewissheit des Beschenkten, ob er das Geschenk tatsächlich behalten darf, steht der wirtschaftlichen Ausgliederung aus dem Vermögen des Schenkers (solange dieser von seinem Rückforderungsrecht keinen Gebrauch macht) grundsätzlich nicht entgegen.[381]

 

Rz. 100

Rückforderungsklauseln, die auf abschließend aufgezählte Fälle, bspw. das Vorversterben des Übernehmers, beschränkt sind, stehen dem Fristbeginn aber nach überwiegender Meinung nicht entgegen, da der Eintritt der Bedingung dem Einflussbereich des Erblassers entzogen ist.[382] Dem ist zuzustimmen.[383]

[379] BGHZ 125, 395 = NJW 1994, 1791 hat diesen Gesichtspunkt nicht problematisiert.
[380] Draschka, S. 63 f.; Kollhosser, AcP 194, 325, 329 u. FamRZ 1994, 739, 745; Nieder/Kössinger, § 2 Rn 147; vgl. auch Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 184 m.w.N.; a.A.: Heinrich, MittRhNotK 1995, 165; Ellenbeck, MittRhNotK 1997, 41, 53; Staudinger/Olshausen [2015], § 2325 Rn 59; v. Dickhuth-Harrach, in: FS Rheinisches Notariat, 1998, S. 218 f.; MüKo/Lange, § 2325 Rn 66.
[381] Ebenso Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 185; a.A.: OLG Düsseldorf ZEV 2008, 525, das einen Leistungserfolg i.S.v. Abs. 3 trotz Umschreibung im Grundbuch verneint, wenn sich der Schenker vorbehält, die "unentgeltliche, kosten- und steuerfreie Rückübertragung des Grundstücks zu verlangen, wenn der Erwerber gegen die hiermit übernommene Verpflichtung verstößt, den übertragenen Grundbesitz zu Lebzeiten des Veräußerers nicht ohne dessen Zustimmung zu veräußern oder zu belasten". Vgl. auch BeckOGK/Schindler, § 2325 Rn 269.
[382] Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 9 Rn 109; vgl. zum Meinungsstand Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 186. Siehe auch J. Mayer, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, HB Pflichtteilsrecht, 1. Auf. 2003, § 8 Rn 134, der des weiteren bzgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1999, 1546, 1547 Fälle der Kombination von Rückerwerbsrechten m. vorbehaltenen Nutzungsrechten problematisiert u. in diesem Zusammenhang den Begriff des wirtschaftlichen Eigentums i.S.v. § 39 AO in die Diskussion einführt; a.A.: OLG Düsseldorf ZEV 2008, 523, 524.
[383] BeckOGK/Schindler, § 2325 Rn 270; a.A.: OLG Düsseldorf ZEV 2008, 525; LG Kiel v. 2.2.2018 – 12 O 82/17, BeckRS 2018, 4906.

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