Rz. 60

I.d.R. mangelt es den Eheleuten an der Einigkeit über die objektive Unentgeltlichkeit der Zuwendung. Da solche Zuwendungen im Verhältnis der Ehegatten zueinander grundsätzlich nicht als Schenkung bewertet werden, müsste hieraus grundsätzlich der Schluss zu ziehen sein, dass ehebezogene Zuwendungen immer ergänzungsfest seien. Um den hiermit verbundenen Gestaltungs- bzw. Missbrauchsmöglichkeiten einen Riegel vorzuschieben, verzichtet der BGH bei ehebezogenen Zuwendungen auf das Tatbestandsmerkmal der Einigung über die Unentgeltlichkeit und lässt die objektive Unentgeltlichkeit der Zuwendung genügen, um den Anwendungsbereich des § 2325 BGB zu eröffnen.[219] Auf die subjektive Vorstellung der Parteien soll es nicht ankommen.[220] Ehebezogene Zuwendungen stehen daher nach der Rspr. hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Erb- und Pflichtteilsrecht, §§ 2287, 2288, 2325 BGB, den Schenkungen gleich.[221] Denn für die objektive Unentgeltlichkeit genügt es, dass die gewährte Leistung nicht von einer – wenigstens subjektiv – wertgleichen Gegenleistung abhängig ist.[222] Da die Ehe als solche keinen Anspruch auf Vermögenszuwendungen begründet,[223] ist bei – nicht auf Austauschverträgen beruhenden[224] – Leistungen unter Ehegatten im Regelfall von (unentgeltlichen) ehebezogenen Zuwendungen auszugehen.[225] Im Einzelfall kann allerdings eine abweichende Beurteilung geboten sein. So insbesondere bei nach den konkreten Verhältnissen angemessenen Zuwendungen zum Zwecke der Alterssicherung des Empfängers[226] (selbst wenn diese nicht unterhaltsrechtlich geschuldet wird),[227] bei angemessenen nachträglichen Vergütungen langjähriger Dienste[228] oder der Erfüllung entsprechender unterhaltsrechtlicher Verpflichtungen.[229] Die Instanzgerichte haben diese Grundsätze auch auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft ausgedehnt.[230]

 

Rz. 61

Dem Schutz der pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge kommt in der Rspr. des BGH eindeutig der Vorrang gegenüber den (berechtigten) Interessen des überlebenden Ehegatten zu. Die eigentliche Funktion der ehebezogenen Zuwendung, nämlich die mit ihr beabsichtigte Absicherung der ehelichen Lebensverhältnisse, bleibt dabei auf der Strecke.[231] In der Lit. wird diese Sichtweise von einem großen Teil der Autoren begrüßt,[232] von einem anderen, nicht minder großen Teil aber vehement abgelehnt.[233] Die im Einzelnen vertretenen Auffassungen sind vielfältig und lassen sich nur schwer systematisieren. Mit Mayer[234] kann man aber folgendes Raster festhalten:

 

Rz. 62

Zum Teil[235] wird für die Qualifizierung der ehebezogenen Zuwendung als entgeltlich oder unentgeltlich auf den jeweiligen Parteiwillen abgestellt, da die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten ein konstitutives Merkmal des Entgeltbegriffs darstellten. Zum Schutz des Pflichtteilsberechtigten vor ungerechtfertigten Benachteiligungen soll in erster Linie auf den Gedanken des Rechtsmissbrauchs zurückzugreifen sein. Nach a.A.[236] soll danach unterschieden werden, ob die Zuwendung – Einigkeit der Parteien über die Unentgeltlichkeit unterstellt – als Pflicht- bzw. Anstandsschenkung (§ 2330 BGB) zu qualifizieren wäre oder aufgrund einer nachträglichen Entgeltvereinbarung (sozusagen im Verrechnungswege) eine Anwendung von § 2325 BGB ausgeschlossen werden könnte. In diesen Fällen soll auch die ehebedingte Zuwendung als ergänzungsfest anzusehen sein. Führen die genannten Fiktionen nicht zur Entgeltlichkeit, bleibt es bei der Gleichstellung mit ergänzungspflichtigen Schenkungen. Ebenfalls anzutreffen sind güterrechtlich geprägte Überlegungen, die zu einem Ausschluss der Ergänzungspflicht führen, soweit der jeweiligen Zuwendung ein – wenigstens wertgleicher – fiktiver Zugewinnausgleichsanspruch gegenübersteht.[237] Ähnliche Überlegungen spielen oft auch bei den Vertretern der Auffassung, dass es in erster Linie auf eine Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der Belange des überlebenden Ehegatten ankomme,[238] eine Rolle.

 

Rz. 63

Stein des Anstoßes ist vor allem die Entscheidung des BGH v. 27.11.1991,[239] der folgender Sachverhalt zugrunde lag: Erblasser E lebte mit seiner Ehefrau F im gesetzlichen Güterstand. E war Alleinverdiener, während F den Haushalt führte. Aus der Ehe gingen die beiden Kinder K1 und K2 hervor. E und F kauften ein Haus zu jeweils hälftigem Bruchteilseigentum, das voll fremdfinanziert wurde. E zahlte das Darlehen aus seinem laufenden Einkommen zurück. E hatte F in seinem Testament zur Alleinerbin eingesetzt. K1 machte seinen Pflichtteilsanspruch, sowie den Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend. Nach Ansicht des BGH zählt der ½-Miteigentumsanteil der F zum fiktiven Nachlass des E, da es sich bei der Darlehenstilgung durch E zur Hälfte um eine ehebezogene Zuwendung an F handelte. Auf die subjektive Seite, nämlich die Frage des Einigseins über die Unentgeltlichkeit, komme es nicht an.[240] F hatte daher insgesamt ⅛ des Wertes des Hausgrundstücks an K1 zu zahlen. Davon entfällt auf den ordentlichen Pflichtteilsanspruch...

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