Rz. 103

Eine Ausnahme von den soeben dargestellten Grundsätzen enthält das Gesetz in Abs. 3 S. 3. Bei Schenkungen an den Ehegatten beginnt die Zehnjahresfrist nicht vor Auflösung der Ehe zu laufen. Wird die Ehe erst durch den Tod des einen Ehegatten aufgelöst, sind also alle Schenkungen ergänzungspflichtig, und zwar unabhängig vom Zeitpunkt des Eintritts des rechtlichen Leistungserfolges beim beschenkten Ehegatten. Dieser kann also auch schon mehrere Jahrzehnte zurückliegen.[392] Die Ratio dieser oftmals als rechtspolitisch missglückt[393] kritisierten Sonderregelung beruht auf der Überlegung, dass der Erblasser bei einer Schenkung an seinen Ehegatten kein spürbares Vermögensopfer erbringe, so dass eine erhebliche Missbrauchsgefahr bestehe.[394] Diese Überlegung ist allerdings aus heutiger Sicht überholt.[395] Allein das Bestehen einer (selbst einer funktionierenden) Ehe rechtfertigt nicht (mehr) die Annahme, der Erblasser/Schenker habe nach wie vor ungehinderten Zugriff auf den verschenkten Gegenstand. Im Übrigen ist die Vorschrift im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 GG auch verfassungsrechtlich nicht unproblematisch.[396]

Allerdings hat das BVerfG mit Beschluss v. 26.11.2018 die Vereinbarkeit von § 2325 Abs. 3 S. 3 BGB mit dem Grundgesetz ausdrücklich bestätigt. Die Vorschrift bewege sich in jedem Fall innerhalb des dem Gesetzgeber zuzubilligenden Gestaltungsspielraums und sorge im Übrigen für einen fairen Interessenausgleich zwischen dem überlebenden Ehegatten und den übrigen Angehörigen des Erblassers.[397]

 

Rz. 104

Die Anwendung des Abs. 3 S. 3 setzt voraus, dass die Ehegatten im Zeitpunkt der Schenkung bereits miteinander verheiratet waren. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf Verlobte oder Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist wegen ihres Ausnahmecharakters abzulehnen.[398] In der Lit. wird zwar diskutiert, Abs. 3 Hs. 2 auch auf unmittelbar vor der Eheschließung erfolgte Schenkungen auszudehnen, weil sonst die Gefahr der Umgehung der Vorschrift durch Noch-nicht-Ehegatten bestünde. Von der h.M. wird eine entsprechende Anwendung jedoch abgelehnt.[399] Eine analoge Anwendung scheidet auch in den Fällen aus, in denen sich Eheleute erst nach der Scheidung beschenken, selbst dann, wenn sie sich später erneut verheiraten.[400]

 

Rz. 105

Auf gleichgeschlechtliche Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ist Abs. 3 S. 3 aber gem. § 10 Abs. 6 S. 2 LPartG entsprechend anwendbar.[401]

[392] Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 192; MüKo/Lange, § 2325 Rn 68; Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 9 Rn 94.
[393] OLG Düsseldorf NJW 1996, 3156; Dieckmann, FamRZ 1995, 189; v. Olshausen, FamRZ 1995, 717, 719.
[394] Prot. V, S. 588.
[395] Ebenso MüKo/Lange, § 2325 Rn 68.
[396] Daragan, ZErb 2008, 2; Amann, FS Brambring, 2011, S. 1; vgl. aber BVerfG NJW 1991, 217, wobei nicht auszuschließen ist, dass sich das Gericht in seiner Entscheidung von der damals noch bestehenden Möglichkeit ergänzungsfester ehebedingter Zuwendungen leiten ließ, vgl. auch Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 193.
[397] BVerfG ZEV 2019, 79.
[398] OLG Düsseldorf NJW 1996, 3156; BeckOGK/Schindler, § 2325 Rn 297; MüKo/Lange, § 2325 Rn 70 m.w.N.
[399] OLG Kiel v. 2.2.2018 – 12 O 82/17, BeckRS 2018, 4906; Staudinger/Olshausen [2015], § 2325 Rn 16; Löhnig, NJW 2018, 1435, 1437; a.A. OLG Zweibrücken FamRZ 1994, 1492.
[400] MüKo/Lange, § 2325 Rn 68; BeckOGK/Schindler, § 2325 Rn 297; OLG Düsseldorf NJW 1996, 3156; v. Olshausen, FamRZ 1995, 717; a.A. OLG Zweibrücken FamRZ 1994, 1492.
[401] Leipold, ZEV 2001, 218; BeckOGK/Schindler, § 2325 Rn 298; Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 194; MüKo/Lange, § 2325 Rn 70 m.w.N.

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