I. Entstehung

 

Rz. 3

Der Pflichtteilsanspruch entsteht endgültig mit dem Erbfall, Abs. 1. Der Erwerb erfolgt kraft Gesetzes.[6] Der Anspruch entsteht auch bei Pflichtteilsunwürdigkeit sowie bei angeordneter Vor- und Nacherbschaft mit dem Erbfall. Kein Pflichtteilsanspruch entsteht, wenn ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht wirksam vereinbart oder dem Pflichtteilsberechtigten der Pflichtteil wirksam entzogen wurde.[7]

 

Rz. 4

Umstritten ist die Frage, ob der Pflichtteilsanspruch bereits beim Erbfall entsteht, wenn er selbst bzw. seine Höhe davon abhängig ist, dass der Pflichtteilsberechtigte oder ein Dritter das ihm Zugewandte ausschlägt, §§ 2306, 2307, 1371 Abs. 4 BGB, Fälle des § 2309 BGB. Teilweise wird vertreten, dass der Anspruch erst mit der Ausschlagung entstehe, aber so behandelt werden müsse, als sei er bereits im Zeitpunkt des Erbfalls entstanden.[8] Zur Begründung wird der Wortlaut der §§ 2306, 2307 BGB herangezogen. Nach a.A. entsteht der Pflichtteilsanspruch bereits mit dem Erbfall, kann aber vor Ausschlagung nicht geltend gemacht werden.[9] Die Praxisrelevanz dieses Streites wird entschärft durch § 2332 Abs. 2 BGB. Praktische Auswirkung dürfte die Diskussion nur im Versäumnisverfahren erlangen.[10]

[6] RGZ 1977, 238, 239; Staudinger/Herzog, § 2317 Rn 4.
[7] Staudinger/Herzog, § 2317 Rn 17 u. 18.
[8] Herzfelder, JW 1931, 1354, 1355, Palandt/Weidlich, § 2317 Rn 1.
[9] RG JW 1931, 1354, 1356; v. Lübtow, Probleme des Erbrechts, S. 33 ff.; Staudinger/Herzog, § 2317 Rn 10.
[10] Soergel/Dieckmann, § 2317 Rn 3.

II. Fälligkeit des Anspruchs

 

Rz. 5

Mit Eintritt des Erbfalls, also bereits mit seiner Entstehung, wird der Pflichtteilsanspruch fällig, § 271 BGB. Er kann daher vom Pflichtteilsberechtigten sofort verlangt werden, ohne Rücksicht darauf, ob eine Auseinandersetzung der Miterbengemeinschaft bereits stattgefunden hat. Die Fälligkeit des Anspruchs kann der Erblasser einseitig grundsätzlich nicht beeinflussen, es sei denn, die Voraussetzungen für eine Pflichtteilsentziehung nach §§ 2333 ff. BGB liegen vor. Durch Vertrag mit dem Pflichtteilsberechtigten kann der Erblasser aber auf die Fälligkeit Einfluss nehmen.[11]

[11] Staudinger/Herzog, § 2317 Rn 31.

III. Zinsen

 

Rz. 6

Für die Verzinsung des Pflichtteilsanspruchs gelten die allg. Regeln, zumal das Gesetz keine Sonderregelung enthält.[12]

[12] BGH, Urt. v. 11.3.1968 – III 215/65, zitiert bei Kessler, DRiZ 1969, 278, 281.

IV. Verzug

 

Rz. 7

Für die Verzinsung des Pflichtteilsanspruchs gelten die allg. schuldrechtlichen Vorschriften. Voraussetzungen für den Zinsanspruch sind demnach Verzug oder Rechtshängigkeit.[13] Verzug tritt durch Mahnung ein, und zwar auch dann, wenn der Anspruch nicht beziffert werden kann.[14] Zur Mahnung bedarf es keiner Fristsetzung und auch keines Hinweises auf die Folgen des Ausbleibens der Leistung.[15] Verzug tritt nicht ein, wenn der Pflichtteilsberechtigte nicht abschließend über selbst erhaltene unentgeltliche Zuwendungen Auskunft erteilt und der Erbe sich hierauf beruft.[16]

 

Rz. 8

Ist dem Pflichtteilsberechtigten die Bezifferung der Höhe seines Anspruchs nicht möglich, so kann er auch eine unbezifferte Forderung erheben. Hierfür ist es erforderlich, dass die Zahlungsaufforderung einem zulässigen Antrag einer Stufenklage gem. § 254 ZPO entspricht.[17] Verzug tritt ferner dann ein, wenn der Pflichtteilsschuldner die Erfüllung des Pflichtteils ernsthaft und endgültig verweigert, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Nach § 286 Abs. 4 BGB ist der Verzugseintritt ausgeschlossen, sofern die Erfüllung des Pflichtteils infolge eines Umstandes, den der Pflichtteilsschuldner nicht zu vertreten hat, ausbleibt.

 

Rz. 9

Den Eintritt des Verzugs kann der Pflichtteilsschuldner nicht durch zögerliches Verhalten bei der Auskunft über den Nachlassbestand hinausschieben.[18]

[13] Soergel/Dieckmann, § 2317 Rn 6; BGH, Urt. v. 11.3.1968 – III 215/65, zitiert bei Kessler, DRiZ 1969, 278, 281.
[14] Palandt/Weidlich, § 2317 Rn 3; BGH NJW 1981, 1732, vgl. hierzu Rißmann, ZErb 2002, 181.
[15] Staudinger/Herzog, § 2317 Rn 38.
[17] BGHZ 80, 296 = NJW 1981, 1729 = JR 1981, 503, 506; Soergel/Dieckmann, § 2317 Rn 6.
[18] Vgl. Soergel/Dieckmann, § 2317 Rn 6; Staudinger/Herzog, § 2317 Rn 38.

V. Geltendmachung des Anspruchs

1. Allgemeines

 

Rz. 10

Es steht dem Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich frei, den Anspruch geltend zu machen.[19] Diese Entscheidungsfreiheit ist in § 852 Abs. 1 ZPO ausdrücklich vor den Interessen der Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten geschützt.[20] Die Nichtgeltendmachung führt allerdings nicht zur Erhöhung der Pflichtteilsquoten der übrigen Beteiligten.

Die Entscheidungsfreiheit des Pflichtteilsberechtigten, ob er den Anspruch geltend macht oder nicht, unterliegt Grenzen. So kann ein Pflichtteilsberechtigter aus unterhaltsrechtlichen Gründen unter Umständen verpflichtet sein, den Pflichtteilsanspruch geltend zu machen.[21] Im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners ist der Pflichtteilsanspruch grundsätzlich zu berücksichtigen.[22] Es kommt insoweit nicht darauf an, ob der Anspruch geltend gemacht wurde oder nicht.[23] Ein...

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