Rz. 12

Fällt der Zuwendungsempfänger vor oder nach dem Erbfall weg und treten andere Abkömmlinge des Erblassers an seine Stelle, so wirkt die Anrechnungsbestimmung des Erblassers gegen sie, Abs. 3 i.V.m. § 2051 Abs. 1 BGB.[43] Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Anrechnungsbestimmung erkennbar nur für den Zuwendungsempfänger getroffen wurde, was der Abkömmling des Zuwendungsempfängers beweisen muss.[44] Für Eltern und Ehegatten gilt Abs. 3 nicht:[45]

 

Rz. 13

 

Beispiel 1

Erblasser E setzt seinen Freund F zum Alleinerben ein. Sohn S, der bereits vorverstorben ist, hat eine anrechnungspflichtige Zuwendung i.H.v. 50.000 EUR erhalten; der Nachlasswert beträgt 100.000 EUR. Pflichtteilsanspruch des einzigen Enkels:

(100.000 EUR + 50.000 EUR) : 2 – 50.000 EUR = 25.000 EUR

Tritt an die Stelle des Zuwendungsempfängers kein eigener Abkömmling, sondern ein anderer pflichtteilsberechtigter Abkömmling des Erblassers, der mit dem Zuwendungsempfänger nur in der Seitenlinie verwandt ist, ist Folgendes zu beachten:

Anrechnungspflichtige Zuwendungen an seinen Vorgänger dürfen den eigenen Pflichtteilsanspruch des Nachrückenden, der aus der nicht erhöhten Pflichtteilsquote zu berechnen ist, nicht beeinträchtigen (Grundgedanke des § 1935 BGB).

 

Beispiel 2

Erblasser E hatte 2 Kinder, S und T. S hat eine anrechnungspflichtige Zuwendung i.H.v. 60.000 EUR erhalten, ist im Erbfall aber bereits vorverstorben.

Der Nachlasswert beträgt 60.000 EUR. Alleinerbe ist der Freund F des Erblassers.

Pflichtteil der T:

(100.000 EUR + 60.000 EUR) : 2 – 60.000 EUR = 20.000 EUR

Aber: 100.000 EUR: 4 = 25.000 EUR

Der Pflichtteil der T beträgt daher nicht 20.000 EUR, sondern 25.000 EUR

 

Rz. 14

Derjenige Pflichtteilsberechtigte, der selbst eine anrechnungspflichtige Zuwendung vom Erblasser erhalten hat, muss als Pflichtteil mindestens den Wert erhalten, der sich aus der Erhöhung der Pflichtteilsquote ergibt.[46] Fällt ein Abkömmling durch Vorversterben oder Ausschlagung weg, wurde ihm der Pflichtteil entzogen oder wurde er für erbunwürdig erklärt, so kann die Anrechnungsbestimmung nur eigene Abkömmlinge des Erblassers betreffen, weil diese nach § 2309 BGB i.S.d. Abs. 3 i.V.m. § 2051 Abs. 1 BGB an seine Stelle treten. Abkömmlinge des Erblassers aus einer Seitenlinie des Zuwendungsempfängers sind insoweit wegen § 2310 S. 1 BGB nicht betroffen. Der weggefallene Abkömmling wird bei der Ermittlung ihrer Pflichtteilsquoten mitgezählt.[47]

 

Rz. 15

Nach dem Wortlaut des Abs. 3 besteht eine Anrechnungspflicht nicht, wenn die Eltern und der Ehegatte nachrücken. Dies gilt wohl auch für den Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Über § 2309 BGB wird bzgl. der Eltern eine Korrektur bewirkt, da die Annahme des Vorempfangs der Annahme des Hinterlassenen i.S.d. § 2309 BGB gleichsteht.[48] Ein Nachrücken der Eltern wird auch dann verhindert, wenn der Zuwendungsempfänger für pflichtteilsunwürdig erklärt oder ihm sein Pflichtteil entzogen wurde.[49] Ist der Zuwendungsempfänger vorverstorben, greift § 2309 BGB nicht; die Eltern können den vollen Pflichtteil verlangen.

[43] MüKo/Lange, § 2315 Rn 26.
[44] Palandt/Weidlich, § 2315 Rn 5.
[45] Palandt/Weidlich, § 2315 Rn 6.
[46] Soergel/Dieckmann, § 2315 Rn 16.
[47] Soergel/Dieckmann, § 2315 Rn 18.
[48] Soergel/Dieckmann, § 2315 Rn 19.
[49] Vgl. MüKo/Lange, § 2315 Rn 28; Soergel/Dieckmann, § 2315 Rn 19.

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