Rz. 7

Der Erbverzicht (eines näheren Abkömmlings) bewirkt gem. § 2346 BGB, dass der Verzichtende als zur Zeit des Erbfalls bereits verstorbenen gilt.[22] Sofern sich der Erbverzicht, wie in § 2349 BGB als Regelfall vorgesehen, auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt,[23] sind auch diese von der gesetzlichen Erbfolge und somit auch vom Pflichtteilsrecht ausgeschlossen. Der Erbverzicht kann sich dann nur zugunsten anderer vom Erblasser abstammender Abkömmlinge oder seiner Eltern auswirken.[24] Ein Pflichtteilsrecht der Eltern ergibt sich aber nur, wenn nicht § 2350 Abs. 2 BGB eingreift, dem zufolge der Verzicht eines Abkömmlings im Zweifel nicht zugunsten der Eltern des Erblassers wirkt.[25] Ein Erbverzicht unter Vorbehalt des Pflichtteilsrechts wirkt sich i.R.d. § 2309 BGB nicht aus;[26] die entfernteren Abkömmlinge und die Eltern bleiben von der Geltendmachung des Pflichtteils ausgeschlossen. Ein isolierter Pflichtteilsverzicht, § 2346 Abs. 2 BGB, bewirkt keine Änderung der gesetzlichen Erbfolge und bringt daher auch keine Pflichtteilsberechtigung der entfernteren Berechtigten – kraft eigenen Rechts – mit sich,[27] soweit nicht eine Enterbung des näher Berechtigten hinzutritt.[28]

Beschränkt der verzichtende Abkömmling seinen Erbverzicht entgegen der Vermutungsregel des § 2349 BGB auf seine eigene Person und schließt dadurch eine Ausdehnung der Verzichtswirkung auf seine Abkömmlinge aus, bezieht sich auch die Vorversterbensfiktion allein auf den Verzichtenden. Seine Abkömmlinge (entferntere Berechtigte) sind nur pflichtteilsberechtigt, wenn sie durch letztwillige Verfügung enterbt sind. Wird in dieser Situation der Verzichtende testamentarischer Erbe und nimmt die Erbschaft an, kann auch dies zu keinem Pflichtteilsanspruch der entfernteren Abkömmlinge führen.[29] Denn die entfernteren Abkömmlinge werden von dem (ungeachtet des früheren Verzichts tatsächlich) zur Erbfolge gelangenden näheren Abkömmling ausgeschlossen. Anders sieht dies indes der BGH,[30] der die hier angesprochene Konstellation (alle beteiligten Personen gehören demselben Stamm an) als nicht vom Normzweck des § 2309 BGB gedeckt ansieht. Diese Sichtweise überzeugt nicht und birgt überdies das Risiko zufälliger Ergebnisse; gleichzeitig stellt sie eine kaum gerechtfertigte Einschränkung der Testierfreiheit dar.[31]

[22] BeckOGK/Obergfell, § 2309 Rn 5; Hölscher/Mayer, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 2 Rn 44.
[23] Staudinger/Otte [2015], § 2309 Rn 21.
[24] MüKo/Lange, § 2309 Rn 9.
[25] Staudinger/Otte [2015], § 2309 Rn 21; Hölscher/Mayer, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 2 Rn 45 m.w.N.
[26] Vgl. auch MüKo/Lange, § 2309 Rn 13.
[27] Bestelmeyer, FamRZ 1997, 1129; MüKo/Lange, § 2309 Rn 14; Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht, § 2309 Rn 11; Hölscher/Mayer, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 2 Rn 43; Staudinger/Otte [2015], § 2309 Rn 23, 30; Lange, ErbR 2017, 250, 254.
[28] MüKo/Lange, § 2309 Rn 14; Soergel/Dieckmann, § 2309 Rn 10; Lange/Kuchinke, § 37 IV 1b; Hölscher/Mayer, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 2 Rn 43.
[29] MüKo/Lange, § 2309 Rn 8; BeckOGK/Obergfell, § 2309 Rn 5; Röhl, DNotZ 2012, 724, 728; Wagenknecht, ZErb 2012, 322, 323 ff.
[31] Vgl. MüKo/Lange, § 2309 Rn 8 m.w.N.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge