Gesetzestext

 

(1)Sind in einem Erbvertrag von beiden Teilen vertragsmäßige Verfügungen getroffen, so hat die Nichtigkeit einer dieser Verfügungen die Unwirksamkeit des ganzen Vertrags zur Folge.

(2)1Ist in einem solchen Vertrag der Rücktritt vorbehalten, so wird durch den Rücktritt eines der Vertragschließenden der ganze Vertrag aufgehoben. 2Das Rücktrittsrecht erlischt mit dem Tode des anderen Vertragschließenden. 3Der Überlebende kann jedoch, wenn er das ihm durch den Vertrag Zugewendete ausschlägt, seine Verfügung durch Testament aufheben.

(3)Die Vorschriften des Absatzes 1 und des Absatzes 2 Sätze 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn ein anderer Wille der Vertragschließenden anzunehmen ist.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Bei einem zweiseitigen Erbvertrag, bei dem beide Vertragsschließenden vertragsmäßige Verfügungen treffen, wird angenommen, dass diese Verfügungen voneinander abhängen sollen, mithin jede von ihnen gegenüber allen anderen wechselbezüglich sein soll; daher gilt im Falle der Nichtigkeit einer vertragsmäßigen Verfügung (Abs. 1) oder des Rücktritts von einer vertragsmäßigen Verfügung (Abs. 2 S. 1) im Zweifel der gesamte Vertrag als aufgehoben; aus gleichem Grund erlischt mit dem Tod des Vertragspartners das vorbehaltene Rücktrittsrecht, es sei denn, dass in diesen Fällen ein anderer Wille der Vertragsschließenden anzunehmen ist, Abs. 3. Der Überlebende kann sich das (vorbehaltene) Rücktrittsrecht dadurch erhalten, dass er das ihm Zugewendete ausschlägt und seine Verfügungen durch Testament aufhebt.

B. Tatbestand

I. Nichtigkeit einer vertragsmäßigen Verfügung

 

Rz. 2

Nach Abs. 1 hat die Nichtigkeit einer wechselbezüglichen vertragsmäßigen Verfügung die Unwirksamkeit des ganzen Erbvertrages zur Folge, wenn nicht ein anderer Wille der Vertragsschließenden anzunehmen ist, Abs. 3. Es müssen beide Vertragsschließenden als Erblasser vertragsmäßige Verfügungen im Erbvertrag getroffen haben; die nach dem Willen der Vertragsschließenden voneinander abhängig sein sollen. Eine solche Abhängigkeit bzw. Wechselbezüglichkeit wird in einem zweiseitigen Erbvertrag i.d.R. anzunehmen sein.[1] Dagegen setzt Abs. 1 nicht voraus, dass die vertragsmäßigen Verfügungen gegenseitig sind, d.h. dass sich die Vertragsschließenden gegenseitig bedacht haben.[2] Die Aufhebungswirkung erstreckt sich nur auf die vertragsmäßigen Verfügungen, auch wenn das Gesetz von der Aufhebung des "ganzen" Erbvertrages spricht. Auf die einseitigen Verfügungen hat die Aufhebung der vertragsmäßigen Verfügungen zunächst keinen Einfluss; die Wirksamkeit einer solchen Verfügung richtet sich vielmehr nach § 2085 BGB. § 2299 Abs. 2 und Abs. 3 BGB ist nicht einschlägig; er erwähnt die Nichtigkeit nicht, sondern nimmt die Unwirksamkeit auch einer einseitigen Verfügung nur im Fall des Rücktritts vom Erbvertrag oder der Aufhebung des Erbvertrages an.[3] Die Umdeutung einer einseitigen Verfügung in ein Testament ist möglich.[4] Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Nichtigkeit einer einseitigen Verfügung Einfluss auf den Erbvertrag – also die vertragsmäßigen Verfügungen – haben kann. Da die einseitigen Verfügungen ausschließlich nach Testamentsrecht zu beurteilen sind, § 2299 Abs. 2 BGB, sind sie nur äußerlich Bestandteil des Erbvertrages, so dass ihre Unwirksamkeit auf die vertragsmäßigen Verfügungen ohne Einfluss ist. Allerdings können die Vertragsschließenden eine auflösende Bedingung vereinbaren, wonach die Wirksamkeit der vertragsmäßigen Verfügungen von der Wirksamkeit der einseitigen Verfügung abhängig gemacht wird, oder sie können sich für den Fall der Nichtigkeit der einseitigen Verfügung den Rücktritt vorbehalten; in diesen Fällen hat auch die Nichtigkeit einer einseitigen Verfügung Bedeutung für den gesamten Erbvertrag.[5] Eine vertragsmäßige Verfügung kann von Anfang an nichtig sein, z.B. aufgrund eines Formmangels; die Nichtigkeit kann sich aber auch aus einer wirksamen Anfechtung ergeben, des Weiteren aufgrund der Auflösung der Ehe bzw. Verlobung nach §§ 2077, 2279 Abs. 2 BGB oder im Fall einer (späteren) beeinträchtigenden Verfügung nach § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Nichtigkeit ist nicht gleichzusetzen mit den Fällen, in denen die vertragsmäßige Verfügung gegenstandslos wird, z.B. durch vorzeitigen Tod des Bedachten (§§ 1923 Abs. 1, 2160 BGB) oder durch Ausschlagung (§§ 1953, 2180 Abs. 3 BGB); die Wirksamkeit des Erbvertrages richtet sich in diesen Fällen nach § 2085 BGB.[6]

[1] BGH NJW 1961, 120.
[2] Palandt/Weidlich, § 2298 Rn 1.
[3] Vgl. Staudinger/Kanzleiter, § 2298 Rn 10; a.A. Soergel/Wolf, § 2298 Rn 2: Bei Aufhebung des ganzen Erbvertrages gilt § 2299 Abs. 3 BGB analog; vgl. auch die Ausführungen zu § 2299 BGB.
[4] MüKo/Musielak, § 2298 Rn 2.
[5] MüKo/Musielak, § 2298 Rn 2.
[6] H.M.: Palandt/Weidlich, § 2298 Rn 2; Soergel/Wolf, § 2298 Rn 3; Staudinger/Kanzleiter, § 2298 Rn 7; MüKo/Musielak, § 2298 Rn 3.

II. Rücktritt

1. Wirkung des Rücktritts

 

Rz. 3

Tritt ein Vertragsschließender aufgrund vorbehaltenen Rücktrittsrechts zurück, dann gilt im Zweifel der ganze Erbvertrag als aufgehoben, wenn nicht ein anderer Wille der Vertragsschließenden anzunehmen ist, Abs. 3. Abs. 2 gilt n...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge