Rz. 22

Die Unterschrift eines der beiden Ehegatten unter das als gemeinschaftlich gewollte Testament fehlt.[100] In diesem Fall kann die Frage nach der Wechselbezüglichkeit nicht mit der Überlegung für unerheblich gehalten werden, dass hier mangels Einhaltung der Formvorschriften ohnehin kein wirksames gemeinschaftliches Testament vorliege. Denn aufgrund der fehlenden Unterschrift des einen Ehegatten können sich sehr wohl Auswirkungen auf die letztwilligen Verfügungen desjenigen Ehegatten ergeben, dessen Unterschrift sich unter dem als gemeinschaftliches Testament gewollten Testament befindet. Wendet man in diesem Fall Abs. 1 an, so sind sämtliche Verfügungen, die im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zu den Verfügungen des nicht unterzeichnenden Ehegatten stehen sollten, kraft Gesetzes unwirksam. Folgt man dieser Ansicht, so müsste im Weiteren für die Wirksamkeit der konkreten Verfügung geprüft werden, ob sie im Wege der Umdeutung als einseitig wirksame letztwillige Verfügung aufrechterhalten werden könnte.

 

Rz. 23

Es ist grundsätzlich zulässig, die in dem Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments enthaltenen Anordnungen als wirksame einseitige Verfügungen aufrechtzuerhalten.[101] Eine wirksame einseitige Verfügung kann aber in solchen Fällen nur dann vorliegen, wenn der Wille desjenigen, der seine Erklärung bereits formgültig abgegeben hat, dahin geht, dass seine Verfügung, die er als gemeinschaftliches Ehegattentestament entworfen hatte, unabhängig vom Beitritt des anderen Ehepartners gelten sollte.[102] Eine andere Auffassung geht davon aus, dass bei einer ursprünglichen, von den Ehegatten nicht erkannten Unwirksamkeit einer wechselbezüglichen Verfügung die Anwendung des Abs. 1 verfehlt wäre und durch eine regelmäßige entgegenstehende Auslegung einzuschränken ist.[103] Nach hiesiger Auffassung setzt Abs. 1 bereits seinem Wortlaut nach ein gemeinschaftliches Testament voraus, kann also in den Fällen, in denen ein solches mangels Formwirksamkeit nicht vorliegt, gerade nicht angewendet werden. Auch dies enthebt jedoch nicht von der Notwendigkeit zu prüfen, ob eine Umdeutung in ein wirksames einseitiges Testament nach den von der Rspr. dafür aufgestellten Voraussetzungen im Wege der Umdeutung angenommen werden kann.

[100] Bsp. nach MüKo/Musielak, § 2270 Rn 15; Soergel/Wolf, § 2270 Rn 18.
[101] BGH NJW-RR 1987, 1410; BayObLG NJW-RR 2000, 1534; BayObLG ZErb 2003, 237, 238.
[103] So Staudinger/Kanzleiter, § 2270 Rn 7; Kanzleiter, DNotZ 1973, 133, 145 ff., 148; Kanzleiter, ZEV 1996, 306.

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