Gesetzestext

 

(1)Wer ein Testament, das nicht in besondere amtliche Verwahrung gebracht ist, im Besitz hat, ist verpflichtet, es unverzüglich, nachdem er von dem Tode des Erblassers Kenntnis erlangt hat, an das Nachlassgericht abzuliefern.

(2)1Befindet sich ein Testament bei einer anderen Behörde als einem Gericht in amtlicher Verwahrung, so ist es nach dem Tode des Erblassers an das Nachlassgericht abzuliefern. 2Das Nachlassgericht hat, wenn es von dem Testament Kenntnis erlangt, die Ablieferung zu veranlassen.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Die Ablieferungspflicht soll die Unterdrückung von Testamenten verhindern und gleichzeitig die Testamentseröffnung sichern, um ein ordnungsgemäßes Nachlassverfahren einleiten zu können. Die Verpflichtung zur Ablieferung steht insbesondere im öffentlichen Interesse. Der Erblasser kann das Gebot der Ablieferung durch seine letztwillige Verfügung nicht wirksam verhindern. Die Ablieferungspflicht besteht ab dem Zeitpunkt, zu dem der unmittelbare Besitzer Kenntnis vom Eintritt des Erbfalls erlangt hat.[1]

[1] BayObLG FamRZ 1988, 658.

B. Tatbestand

I. Gegenstand der Ablieferungspflicht

 

Rz. 2

Bei einem Testament i.S.d. Abs. 1 handelt es sich um jede Urkunde, die sich nach Form oder Inhalt als eine Verfügung von Todes wegen darstellen könnte.[2] Dabei spielt es keine Rolle, ob diese im Einzelfall formwirksam errichtet, widerrufen, mit Ungültigkeitsvermerken versehen, beschädigt, offen oder verschlossen worden ist. Es ist Sache des Gerichts (Nachlassgericht oder Prozessgericht), zu entscheiden, ob es sich um eine wirksame Verfügung von Todes wegen handelt.

 

Rz. 3

Aus diesem Grunde müssen auch Schriftstücke abgeliefert werden, deren Bestimmung als Testament fraglich ist, weil z.B. die Unterschrift fehlt oder es maschinenschriftlich verfasst wurde. Dies liegt darin begründet, dass derartige Schriftstücke wenigstens zur Auslegung herangezogen werden können. Im Einzelnen kommt es lediglich darauf an, ob erbrechtliche Anordnungen vom Erblasser getroffen wurden, was z.B. bei Bestattungsanordnungen oder ausdrücklichen Entwürfen nicht der Fall ist. Schriftstücke, die sowohl erbrechtliche als auch nicht erbrechtliche Ausführungen beinhalten, sind abzuliefern, wobei dem Geheimhaltungsinteresse insoweit hinsichtlich des nicht erbrechtlichen Teils Rechnung getragen werden kann, als dass dieser Teil nicht miteröffnet wird.

Die Pflicht zur Ablieferung gilt auch für Erbverträge, im Ausland von Deutschen bzw. von Ausländern errichtete Testamente, deren letztwillige Verfügung sich im Inland befindet. Erbverzichts-, Pflichtteilsverzichts- oder Zuwendungsverzichtsverträge müssen nicht abgeliefert werden. Hingegen besteht eine Ablieferungspflicht auch für Nottestamente, bei denen die Gültigkeitsdauer von drei Monaten seit der Errichtung gem. § 2252 Abs. 1 BGB verstrichen ist. Ebenso müssen aufgehobene Erbverträge abgeliefert werden.

 

Rz. 4

Grundsätzlich ist immer die Urschrift abzuliefern. Sind mehrere Urschriften vorhanden, sind alle Dokumente abzuliefern. Ist die Urschrift verloren gegangen oder befindet sie sich im Ausland, ist eine ggf. vorhandene beglaubigte Abschrift ablieferungspflichtig. Einfache Abschriften müssen hingegen nicht abgeliefert werden, da unbeglaubigte Abschriften regelmäßig auch nicht eröffnet werden.[3] Allerdings gilt dann eine Ausnahme, wenn die einfache Abschrift zum Beweis des Inhalts einer nicht mehr vorhandenen Urschrift dienen kann.[4]

[2] BayObLG FamRZ 1988, 658, 659.
[3] Bumiller/Harders/Schwamb/Harders/Schwamb, § 348 Rn 7; BeckOK FamFG/Schlögel, § 348 Rn 7 m.w.N.
[4] MüKo/Hagena, § 2259 Rn 13; Soergel/Mayer, § 2259 Rn 6; DNotI-Report 2007, 138; a.A. Staudinger/Baumann, § 2259 Rn 10; Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2259 Rn 3.

II. Ablieferungspflichtiger Personenkreis

1. Unmittelbarer Besitzer (Abs. 1)

 

Rz. 5

Derjenige, der die unmittelbare Sachherrschaft an einer Testamentsurkunde hat, ist als unmittelbarer Besitzer i.S.d. § 857 BGB ablieferungspflichtig. Diese Pflicht ist unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern i.S.d. § 121 Abs. 1 BGB, zu erfüllen. Ansonsten können Schadensersatzansprüche gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 2259 Abs. 1 BGB entstehen.[5] Für die Ablieferungspflicht spielt es keine Rolle, ob der im Testament Bedachte vorverstorben ist, dieser auch bei gesetzlicher Erbfolge Alleinerbe geworden wäre oder ob in einem gemeinschaftlichen Testament Anordnungen infolge Vorversterbens hinfällig geworden sind.[6]

Neben dem unmittelbaren Besitzer kann auch der Mitbesitzer zur Ablieferung verpflichtet sein. Ausschlaggebend ist dabei die Möglichkeit einer tatsächlichen Einflussnahme. So muss eine Bank trotz der Kenntnis, dass sich im Bankschließfach ein Testament befindet, dieses Testament dann nicht abliefern, wenn sie selbst nicht ohne weiteres das Bankschließfach öffnen kann.[7]

Des Weiteren ist der Besitzdiener nicht ablieferungspflichtig, da er andernfalls zur verbotenen Eigenmacht gegenüber dem Besitzherrn verpflichtet würde.[8] Der Besitzer muss erst dann das Testament abliefern, wenn er vom Tode des Erblassers Kenntnis erlangt hat (Abs. 1). Die Übergabe muss nicht persönlich erfolgen, sondern es muss lediglich dem Nachlassgericht der u...

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