Gesetzestext

 

1Zur Niederschrift eines Notars wird ein Testament errichtet, indem der Erblasser dem Notar seinen letzten Willen erklärt oder ihm eine Schrift mit der Erklärung übergibt, dass die Schrift seinen letzten Willen enthalte. 2Der Erblasser kann die Schrift offen oder verschlossen übergeben; sie braucht nicht von ihm geschrieben zu sein.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Die bis zum Jahre 1970 geltende frühere Fassung des BGB sah in den §§ 2234–2246 BGB a.F. für die Errichtung eines öffentlichen Testaments eine Reihe zwingender Regelungen und weitere ergänzende Ordnungsvorschriften vor, die durch § 57 Abs. 3 Nr. 8 BeurkG zum 1.1.1970 weggefallen sind. Damit sind die vor dem 1.1.1970 errichteten öffentlichen Testamente nach den damals geltenden §§ 2232–2246 BGB a.F. zu beurteilen. Wesentlich geändert hat sich allerdings dadurch nur die Beurkundungszuständigkeit, die dem Richter genommen wurde und sich seit 1970 auf den Notar konzentriert, und einige unwesentliche Verfahrensfragen.

 

Rz. 2

Durch diese Änderungen wurde auch § 2232 BGB a.F. inhaltsleer, so dass der Gesetzgeber im neugefassten § 2232 BGB nunmehr ausdrücklich festhielt, dass es nach wie vor drei Möglichkeiten zur Errichtung eines öffentlichen Testaments gibt, nämlich

zum einen durch mündliche Erklärung des letzten Willens durch den Erblasser vor einem Notar,
zum anderen durch die Übergabe einer offenen Schrift an den Notar mit der Erklärung, dass diese den letzten Willen des Erblassers enthalte,
und zum dritten durch die Übergabe einer verschlossenen Schrift an den Notar mit der Erklärung, dass diese den letzten Willen des Erblassers enthalte.
 

Rz. 3

Damit regelt § 2232 BGB heute materiell-rechtlich die Errichtung ordentlicher öffentlicher Testamente, während sich die ergänzenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen in den §§ 111, 13, 16, 1719, 2226, 2735 BeurkG finden. Zwischen diesen drei Formen der Errichtung öffentlicher Testamente besteht Wahlfreiheit des Testierenden, die nur durch § 2233 BGB eingeschränkt ist. Die Verschließung und besondere amtliche Verwahrung des öffentlichen Testaments richtet sich nach § 34 BeurkG und § 344 FamFG.

B. Tatbestand

I. Errichtung eines öffentlichen Testaments durch mündliche Erklärung (persönliche Errichtung)

 

Rz. 4

Wichtigstes Tatbestandselement der Errichtung eines öffentlichen Testaments durch mündliche Erklärung gegenüber einem Notar ist das Erfordernis der persönlichen Errichtung. Diese umfasst zwei Komponenten, nämlich zum einen die persönliche Kundgabe der Erklärung des Erblassers gegenüber dem Notar und zum anderen die nach Vorlesung folgende Genehmigung der vom Notar zu errichtenden Niederschrift durch den Erblasser selbst.[1]

[1] Bzgl. der Kontrollfunktion des Notars vgl. BVerfG DNotZ 2009, 702, 704; DNotZ 2012, 945; Baumann, MittRhNotK 1996, 1.

1. Persönliche Kundgabe

 

Rz. 5

Die persönliche Errichtung erfordert grundsätzlich eine mündliche Erklärung des Erblassers gegenüber dem Notar als Verhandlungsführer. Nicht ausreichend ist daher eine mündliche Erklärung des Erblassers gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten wie etwa Zeugen oder einem zweiten Notar.[2]

 

Rz. 6

Entsprechendes muss auch bei der Einschaltung technischer Hilfsmittel gelten. So steht das Abspielen einer Tonband- oder Kassettenaufnahme der mündlichen Erklärung des Erblassers nur dann gleich, wenn es in persönlicher Gegenwart des Erblassers vor dem Notar abgespielt und vom Testierenden als seinen letzten Willen enthaltend bestätigt wird.[3]

 

Rz. 7

Wegen des fehlenden persönlichen Kontaktes ist daher eine telefonische Erklärung gegenüber dem Notar nicht ausreichend, selbst wenn es sich um eine Bildtelefonanlage handeln sollte, weil auch dann keine Gewähr dafür besteht, dass das übermittelte Wort tatsächlich vom Erblasser stammt.[4] Der telefonischen Erklärung kann daher grds. nur die Bedeutung einer Vorbesprechung zukommen.[5]

 

Rz. 8

Probleme bereiten kann daher auch die Testamentserklärung in der Isolierstation eines Krankenhauses unter Benutzung einer Sprechanlage. Dies ist nur dann möglich, wenn über eine bestehende Sichtverbindung hinaus auch sichergestellt ist, dass die zu vernehmende Erklärung tatsächlich vom Erblasser stammt,[6] wenn es sich also um bloße technische Lautverstärker[7] handelt.[8]

 

Rz. 9

Entsprechendes muss auch dann gelten, wenn ein Behinderter sich nur durch Gestik und Mimik artikulieren kann, die allein der Verständigungshelfer deuten und dem Notar übermitteln kann.[9]

[2] MüKo/Hagena, § 2232 Rn 16; vgl. zudem RG JW 1910, 61; Burkart, DNotZ 1989, 587, 588.
[3] MüKo/Hagena, § 2232 Rn 4; Soergel/Mayer, § 2232 Rn 15; Voit, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2232 Rn 10.
[4] Dazu Lange/Kuchinke, § 19 III 3a a).
[5] MüKo/Hagena, § 2232 Rn 4.; Staudinger/Baumann, § 2232 Rn 31; Voit, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2232 Rn 10.
[6] Vgl. OLG Frankfurt NJW 1973, 1131, 1132; MüKo/Hagena, § 2232 Rn 4; Soergel/Mayer, § 2232 Rn 15; großzügiger Lange/Kuchinke, § 19 III 3a a).
[7] Staudinger/Baumann, § 2232 Rn 34; Voit, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2232 Rn 10.
[8] A.A. aber OLG Hamm DNotZ 1978, 54, 55 ff.
[9] Bedenken auch bei Soergel/Mayer, § 2232 Rn 10; kritisch zudem Reimann, FamRZ 2002, 1383, 1384; a.A. Rossak, ZEV...

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