Gesetzestext

 

(1)1Der Testamentsvollstrecker hat Nachlassgegenstände, deren er zur Erfüllung seiner Obliegenheiten offenbar nicht bedarf, dem Erben auf Verlangen zur freien Verfügung zu überlassen. 2Mit der Überlassung erlischt sein Recht zur Verwaltung der Gegenstände.

(2)Wegen Nachlassverbindlichkeiten, die nicht auf einem Vermächtnis oder einer Auflage beruhen, sowie wegen bedingter und betagter Vermächtnisse oder Auflagen kann der Testamentsvollstrecker die Überlassung der Gegenstände nicht verweigern, wenn der Erbe für die Berichtigung der Verbindlichkeiten oder für die Vollziehung der Vermächtnisse oder Auflagen Sicherheit leistet.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Dem Erben ist aufgrund des § 2205 BGB sowohl das Verwaltungs- als auch Verfügungsrecht entzogen. Der Testamentsvollstrecker besitzt das aktive Prozessführungsrecht nach § 2212 BGB. Erst nach Abschluss der Testamentsvollstreckung erlangt der Erbe diese Befugnisse wieder zurück. § 2217 BGB gewährt dem Erben jedoch einen Freigabeanspruch. § 2217 BGB bezieht sich lediglich auf das Innenverhältnis zwischen Erben und Testamentsvollstreckung. Dabei ist zwischen der Verpflichtung zur Herausgabe und der Berechtigung der Überlassung von Nachlassgegenständen zu differenzieren. Hiervon strikt zu trennen ist die Frage der Wirksamkeit einer Überlassung eines Nachlassgegenstandes gegenüber Dritten im Außenverhältnis.[1] Der Erblasser kann in seinem Testament die pflichtwidrige Freigabe durch Verwirkungsklauseln sanktionieren, aber auch die Freigabebefugnis des Testamentsvollstreckers flexibler gestalten.[2]

[1] Soergel/Damrau, § 2217 Rn 1.
[2] Vgl. Keim, ZEV 2012, 450; Haegele, Rpfleger 1972, 47; Staudinger/Reimann, § 2217 Rn 4.

B. Tatbestand

I. Grundsätzliches

 

Rz. 2

Eine Verpflichtung zur Überlassung von Gegenständen nach Abs. 1 S. 1 besteht nur hinsichtlich freigabefähiger Nachlassgegenstände. Freigabefähig können nur solche Gegenstände sein, die der Testamentsvollstrecker zur Erfüllung seiner Obliegenheiten eindeutig nicht mehr benötigt.[3] Demzufolge hängt die Freigabefähigkeit von dem Zweck der Testamentsvollstreckung ab. Grundsätzlich bedarf ein Testamentsvollstrecker im Rahmen einer Auseinandersetzungsvollstreckung immer des gesamten Nachlasses bis zur Schlussverteilung, es sei denn, sein Aufgabenbereich ist gegenständlich beschränkt. Die Miterben können aber auch eine Vereinbarung treffen, wonach eine Auseinandersetzung ausgeschlossen werden soll. Hieran ist der Testamentsvollstrecker gebunden, so dass dann eine Freigabepflicht besteht. I.R.d. Abwicklungsvollstreckung benötigt der Testamentsvollstrecker nur diejenigen Gegenstände, die er bis zur Ausführung der letztwilligen Verfügung und zum Ausgleich sämtlicher Nachlassverbindlichkeiten benötigt.

 

Rz. 3

Wurde Verwaltungs- oder Dauervollstreckung nach § 2209 S. 1 BGB angeordnet, so kommt eine Freigabe nicht in Betracht.[4] Im Einzelnen ist hier ebenfalls auf den Zweck der Testamentsvollstreckung abzustellen, so dass u.U. auch bei einer Verwaltungsvollstreckung etc. Nachlassgegenstände, die nicht mehr zur Verwaltung erforderlich sind, den Erben zu überlassen sind. Sind Nachlassverbindlichkeiten, insbesondere die Erbschaftsteuer, noch nicht ausgeglichen, besteht kein Anspruch auf Überlassung von Nachlassgegenständen, soweit nicht eindeutig feststeht, ob ggf. der Testamentsvollstrecker zur Erfüllung steuerlicher Pflichten den Nachlass verwerten muss. Der Erblasser kann wegen § 2220 BGB den Testamentsvollstrecker von der Freigabeverpflichtung aus § 2217 BGB befreien. § 2217 BGB ist nicht analog auf Nutzungen anwendbar.[5] Die Frage, ob Nutzungen an Erben herausgegeben werden müssen, beantwortet sich aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung nach § 2216 BGB.

[3] Hierzu BGHZ 12, 100 = BGH NJW 1954, 636; Bengel/Reimann/Klumpp, § 6 Rn 163.
[4] BGHZ 12, 100.
[5] Vgl. BGH WM 1986, 1095.

II. Freigabeverlagen

 

Rz. 4

Nach h.M.[6] können nur alle Miterben gemeinsam das Verlagen auf Freigabe stellen, weil die Geltendmachung den Charakter einer Verfügung über den verlangten Nachlassgegenstand hat. Dementsprechend sei § 2039 BGB unanwendbar, da der Freigabeanspruch nicht zum Nachlass gehöre. Nach hier vertretener Auffassung fällt der Freigabeanspruch, wie auch der Anspruch aus § 2218 BGB, in den Nachlass, so dass sehr wohl § 2039 BGB anwendbar ist.[7] Dies bedeutet, dass bei einer Erbengemeinschaft jeder Erbe allein den Anspruch geltend macht, wobei lediglich die Freigabe an alle Erben verlangt werden kann.

[6] MüKo/Zimmermann, § 2217 Rn 5; Soergel/Damrau, § 2217 Rn 3; Staudinger/Reimann, § 2217 Rn 8 m.w.N.
[7] So auch Muscheler, ZEV 1996, 401.

III. Rechtsnatur und Form

 

Rz. 5

Nach heutiger h.M.[8] handelt es sich bei der Freigabe um eine abstrakte empfangsbedürftige Willenserklärung, die auf Beendigung des Verwaltungs- und Verfügungsrechts hinsichtlich des bestimmten zu überlassenden Nachlassgegenstandes gerichtet ist. Eigentumsverhältnisse oder Rechtsverhältnisse werden durch die Freigabeforderung nicht berührt. Überlässt der Testamentsvollstrecker einem Miterben einen Nachlassgegenstand, so wird dieser nur bei Zustimmung aller Miterben Allein...

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