Rz. 2

Nach Abs. 1 ist der Testamentsvollstrecker zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses verpflichtet. Das Gesetz lässt damit offen, was unter ordnungsgemäßer Verwaltung zu verstehen ist. Die subjektiven Fähigkeiten des Testamentsvollstreckers sind irrelevant. Vielmehr bestimmen sich Inhalt und Pflicht zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung durch die einzelnen übertragenen Aufgaben und Verwaltungsanordnungen durch den Erblasser. Ferner sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Der Maßstab einer ordnungsgemäßen Verwaltung i.R.d. Abwicklungsvollstreckung gem. § 2203 BGB ist ein anderer als der bei einer Verwaltungsvollstreckung nach § 2209 BGB, zumal bei einer regelmäßig längerfristigen Verwaltungsvollstreckung der Testamentsvollstrecker häufiger mit der Frage konfrontiert wird, wer in das Nachlassvermögen zu investieren hat, um die letztwillige Verfügung bzw. die Verwaltungsanordnung des Erblassers über Jahre und Jahrzehnte hinweg zu erfüllen. Im Einzelnen kommt es somit darauf an, was der Erblasser mit der Testamentsvollstreckung bezwecken wollte. Der Testamentsvollstrecker befindet sich somit häufig im Spannungsfeld zwischen Substanzerhaltung und Substanzvermehrung.

 

Rz. 3

An die Ordnungsmäßigkeit der Nachlassverwaltung sind strenge Anforderungen zu stellen, die durch das objektive Nachlassinteresse und die allgemeinen Regeln der Wirtschaftlichkeit konkretisiert werden. Der Testamentsvollstrecker ist zur besonderen Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt verpflichtet. Nach der Rspr.[3] hat der Testamentsvollstrecker gleichwohl umsichtig und solide, aber auch wie ein dynamischer Geschäftsführer zu handeln, der die Risiken und Chancen kalkuliert und dementsprechend handelt. Insgesamt soll alles vermieden werden, was für das Nachlassvermögen negative Auswirkungen hätte. Der Testamentsvollstrecker hat dabei im Rahmen seiner Eigenverantwortung einen angemessenen Ermessensspielraum, der ihm auch Raum für wirtschaftlich sinnvolle Eigeninitiativen lässt.[4]

 

Rz. 4

Bei der Auswahl von Kapitalanlagen hat der Testamentsvollstrecker im Einzelnen folgende Aspekte zu berücksichtigen:[5]

die zu erwartende Rendite der Kapitalanlage,
ihr Risiko,
ihre Inflationsanfälligkeit,
etwaige mit ihr verbundene Kosten und Steuern,
ihre Liquidierbarkeit und Marktfähigkeit sowie
ihre Beziehungen zur allg. wirtschaftlichen Entwicklung.
 

Rz. 5

Ferner sollte insgesamt eine Anlagestrategie nebst Vermögensdiversifikation bestehen. Dabei ist der Testamentsvollstrecker auch zur Eingehung von wirtschaftlich kalkulierbaren Risiken berechtigt,[6] wobei die Risiken überschaubar bleiben müssen. Keinesfalls dürfen Risikogeschäfte durchgeführt werden, wobei der gesamte Nachlass in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Andererseits darf sich der Testamentsvollstrecker nicht mit einem mäßigen Erfolg begnügen, wenn die Möglichkeit zu einer besseren Ergebniserzielung besteht und nach seiner Veranlagung und seinen Kenntnissen er diese Möglichkeiten zu erkennen und zu verwirklichen weiß.[7] Ist der Testamentsvollstrecker überdurchschnittlich persönlich qualifiziert, steigert dies seine persönlichen Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung. Hingegen senkt eine unterdurchschnittliche persönliche Qualifizierung die Anforderungen nicht. Der Testamentsvollstrecker ist nach Maßgabe des Abs. 1 nur gegenüber dem Erben nebst Nacherben sowie dem Vermächtnisnehmer zur ordnungsgemäßen Verwaltung verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht nicht gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten, den Nachlassgläubigern oder -schuldnern.[8]

Wer durch Erwerb, Veräußerung oder auf sonstige Weise 3, 5, 10, 15, 20, 25, 30, 50 oder 75 % der Stimmrechte eines börsennotierten Aktienemittenten, dessen Herkunftsstaat die Bundesrepublik Deutschland ist, erreicht, über- oder unterschreitet, hat dies § 33 WpHG spätestens innerhalb von vier Handelstagen, dem Emittenten und gleichzeitig der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mitzuteilen.[9] Dies hat auch der Testamentsvollstrecker zu beachten.

Ein aufgrund eines Behindertentestaments iVm einer Dauertestamentsvollstreckung eingesetzter Testamentsvollstrecker verstößt durch die Anlageform eines offenen Treuhandkontos nicht gegen die ihr obliegende Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses gegenüber dem behinderten Vorerben oder Vorvermächtnisnehmer. Darin liegt keine Überschreitung der Grenze pflichtgemäßen Ermessens.[10]

[3] BGH NJW 1987, 1017; BGH ZEV 1995, 110.
[5] Vgl. Schmitz, ZErb 2003, 3.
[7] BGH WM 1967, 25.
[8] BayObLGZ 1997, 1.
[9] Zu den Gefahrenquellen für Nachlassbeteiligte in WpHG und WpÜG: Ponath/Raddatz, ZEV 2013, 361.
[10] LG Heidelberg ZEV 2019, 152.

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