Gesetzestext

 

(1)Hat der Erblasser in dem Testament das Nachlassgericht ersucht, einen Testamentsvollstrecker zu ernennen, so kann das Nachlassgericht die Ernennung vornehmen.

(2)Das Nachlassgericht soll vor der Ernennung die Beteiligten hören, wenn es ohne erhebliche Verzögerung und ohne unverhältnismäßige Kosten geschehen kann.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Nach § 2200 BGB besteht neben den Ernennungsmöglichkeiten in den §§ 21972199 BGB die Möglichkeit, dass das Nachlassgericht einen Testamentsvollstrecker ernennt. Dieser Vorschrift kommt große Bedeutung zu in den Fällen des Fehlschlagens der Ernennung zum Testamentsvollstrecker oder wenn der Amtsinhaber vor Beendigung der Testamentsvollstreckung wegfällt. Um spätere Auslegungsschwierigkeiten zu verhindern, ist es ratsam, in der Verfügung von Todes wegen deutlich zu machen, dass es dem Erblasser nicht auf eine bestimmte Person, sondern auf das Amt der Testamentsvollstreckung an sich ankommt.

B. Tatbestand

I. Ersuchen des Nachlassgerichts durch den Erblasser (Abs. 1)

 

Rz. 2

Ausschließlich der Erblasser und kein anderer Beteiligter oder eine Behörde kann das Nachlassgericht ersuchen, einen Testamentsvollstrecker zu ernennen. Dieses Ersuchen kann nur im Rahmen einer letztwilligen Verfügung erfolgen, wobei der Begriff des Ersuchens durch die Rspr.[1] sehr weit ausgelegt wird. Danach soll bereits ein Ersuchen vorliegen, wenn dem Nachlassgericht bei der Auswahl des Testamentsvollstreckers ein Auswahlermessen zukommt.[2] Das Ersuchen kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen.[3] Die Ernennungszuständigkeit des Nachlassgerichts leitet sich von einem konkreten Ersuchen des Erblassers ab. Daher kann aus dieser Vorschrift keine allgemeine Hilfszuständigkeit des Nachlassgerichts immer schon dann hergeleitet werden, wenn im Nachlassinteresse eine Ernennung zur Sicherung der Testamentsvollstreckung angezeigt wäre.

 

Rz. 3

In der Praxis wird der Erblasser kein eindeutiges Ersuchen ausdrücklich in eine letztwillige Verfügung aufgenommen haben. Die Rspr. behilft sich häufig zu schnell damit, entweder § 2200 BGB als Auffangnorm umzufunktionieren[4] oder aber sehr weit die letztwillige Verfügung auszulegen. Voraussetzung für eine derartige ergänzende Auslegung ist immer eine Andeutung i.S.d. Andeutungstheorie, wobei der hypothetische Erblasserwille zu berücksichtigen ist. Hat der Erblasser eine Testamentsvollstreckung angeordnet, aber keinen Testamentsvollstrecker benannt, so liegt ein klarer Fall des § 2200 BGB vor. Fällt aber vor oder nach Annahme des Testamentsvollstreckeramts der Ernannte weg oder nimmt er das Amt erst gar nicht an, kann regelmäßig kein konkludentes Ersuchen unterstellt werden. Für ein Ernennungsersuchen bedarf es des Hinzutretens weiterer Gesichtspunkte.[5] Wesentliche Voraussetzung ist das Vorliegen eines Erblasserwillens dahingehend, dass die Testamentsvollstreckung unabhängig von dem ernannten Testamentsvollstrecker durchgeführt werden soll. Für ein stillschweigendes Ersuchen des Erblassers an das Nachlassgericht, bei Wegfall des ausgewählten Testamentsvollstreckers eine Ersatzperson zu bestellen, spricht es somit, wenn es dem Erblasser bei der Anordnung der Testamentsvollstreckung weniger um die ausgewählte Person als vielmehr um sein Interesse an einer ordnungsgemäßen Nachlassabwicklung ging.[6] Insbesondere bei Vorliegen eines Bedürftigen- oder Behindertentestaments, also Anordnung einer Vollstreckung mit Schutzwirkung oder Ausschlusswirkung für den Erben, ist von einem Ersuchen auszugehen. In der Kautelarpraxis sollte daher grundsätzlich durch die ausdrückliche Aufführung "Es wird Testamentsvollstreckung angeordnet" Klarheit geschaffen werden, dass es dem Erblasser primär auf die Testamentsvollstreckung und nur sekundär auf eine konkrete Person als Testamentsvollstrecker ankommt. Ein Ersuchen i.S.d. § 2200 BGB ist bspw. gegeben, wenn einem Vorerben die Verwaltungsbefugnis vollständig entzogen ist und Testamentsvollstreckung angeordnet wurde.[7] Gleiches gilt bei der unzulässigen Anordnung einer Pflegschaft für einen Volljährigen. Die Testamentsvollstreckung endet, wenn zwar der Erblasser das Nachlassgericht mit der Auswahl eines Ersatzvollstreckers beauftragt hat, das Nachlassgericht aber von dem ihm nach § 2200 BGB hierbei eingeräumten Ermessen in der Weise Gebrauch macht, dass es die Auswahl eines Testamentsvollstreckers ablehnt.[8]

[1] OLG Hamm ZEV 2001, 271 m.w.N. Dazu zu Recht sehr krit. Muscheler, Schweizer Schriften zur Vermögenberatung und zum Vermögensrecht, Bd. 13 (2017), S. 203 ff., Bd. 14 (2018), S. 171.
[2] BayObLGZ 2003 Nr. 53; Soergel/Damrau, § 2200 Rn 2.
[4] Krit. BeckOK BGB/Lange, § 2200 Rn 2.
[6] OLG Hamburg ErbR 2019, 58 = ZEV 2018, 749.
[7] So KG DRiZ 1934 Nr. 264; KG OLGE 43, 401.
[8] OLG Zweibrücken ZEV 2013, 620; vgl. auch BayObLGZ 2003, 306.

II. Verfahrensablauf und Anhörung (Abs. 2)

 

Rz. 4

Die Ernennung eines neuen Testamentsvollstreckers setzt einen dahingehenden Antrag eines Beteiligten nicht voraus, erfordert vielmehr ein – ggf. durch Erforschung seines Willens festzustellendes – Ersuchen des Erblassers.[9] Wie sich b...

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