Gesetzestext

 

(1)1Der Vorerbe hat auf Verlangen des Nacherben die zur Erbschaft gehörenden Inhaberpapiere nebst den Erneuerungsscheinen bei einer Hinterlegungsstelle mit der Bestimmung zu hinterlegen, dass die Herausgabe nur mit Zustimmung des Nacherben verlangt werden kann. 2Die Hinterlegung von Inhaberpapieren, die nach § 92 zu den verbrauchbaren Sachen gehören, sowie von Zins-, Renten- oder Gewinnanteilscheinen kann nicht verlangt werden. 3Den Inhaberpapieren stehen Orderpapiere gleich, die mit Blankoindossament versehen sind.

(2)Über die hinterlegten Papiere kann der Vorerbe nur mit Zustimmung des Nacherben verfügen.

A. Normzweck

 

Rz. 1

Zum Schutz vor Verfügungen des Vorerben über besonders verkehrsgängige Wertpapiere räumt § 2116 BGB dem Nacherben das Recht ein, die Hinterlegung dieser Papiere zu verlangen. Von sich aus ist der Vorerbe nicht zur Hinterlegung verpflichtet, sondern nur, wenn er dazu vom Nacherben aufgefordert wurde. Das Hinterlegungsverlangen, das notfalls im Klagewege durchzusetzen ist,[1] setzt kein besonderes Rechtsschutzbedürfnis voraus; der Nacherbe muss im Streitfall also keine Gefährdung seiner Nacherbenrechte darlegen.[2] Bis zur Hinterlegung ist der Vorerbe vorbehaltlich der sich aus § 2113 Abs. 2 BGB ergebenden Beschränkung in der Verfügung über die Papiere frei. Bei Nichterfüllung des Hinterlegungsverlangens kommen lediglich Schadensersatzansprüche des Nacherben in Betracht, die gem. § 2130 BGB erst nach Eintritt des Nacherbfalls geltend gemacht werden können.[3]

[1] OLG Oldenburg Rpfleger 1966, 18.
[2] MüKo/Grunsky, § 2116 Rn 1.
[3] Staudinger/Avenarius, § 2116 Rn 4.

B. Hinterlegungspflichtige Papiere

 

Rz. 2

Zu hinterlegen sind Inhaberpapiere (nebst Erneuerungsscheinen, § 805 BGB) und die mit Blankoindossament versehenen Orderpapiere. Inhaberpapiere liegen vor, wenn deren Inhaber ohne besonderen zusätzlichen Nachweis alle durch das Papier verbrieften Rechte geltend machen kann. Hierzu gehören Schuldverschreibungen auf den Inhaber (§§ 793 ff. BGB), Inhabergrund- und -rentenschuldbriefe (§§ 1195, 1199 BGB) und Inhaberaktien (§§ 10, 278 Abs. 3 AktG). Nicht zu den Inhaberpapieren gehören die Legitimationspapiere (§ 808 BGB) wie Sparbücher oder Pfandscheine.[4] Ausdrücklich von der Hinterlegungspflicht ausgenommen (Abs. 1 S. 2) sind Inhaberpapiere, die nach § 92 BGB zu den verbrauchbaren Sachen gehören, wie z.B. Banknoten; Gleiches gilt für Zins-, Renten- und Gewinnanteilscheine, da diese dem Nutzungsrecht des Vorerben unterliegen (vgl. § 2111 Rdn 12 ff.).[5] Orderpapiere sind solche, die durch Indossament übertragen werden können. Hierzu gehören Wechsel, Scheck, Namensaktien (§ 68 AktG), kaufmännische Orderpapiere (§ 363 HGB) und Orderschuldverschreibungen (§ 808a BGB), ferner der auf den Namen lautende Investmentanteilschein, soweit er keine negative Orderklausel trägt. Zu hinterlegen sind nur die mit Blankoindossament (d.h. ohne Angabe eines Indossatars) versehenen Papiere. Der Vorerbe kann die Hinterlegungspflicht dadurch abwenden, dass er das Blankoindossament ausfüllt.[6] Soweit Orderpapiere verbrauchbare Sachen sind, entfällt ebenso wie für verbrauchbare Inhaberpapiere die Hinterlegungspflicht.[7]

 

Rz. 3

Hinsichtlich der zum Betriebsvermögen eines im Nachlass befindlichen (einzelkaufmännischen) Unternehmens gehörenden Wertpapiere vertritt Avenarius die Auffassung, dass diese Papiere von der Beschränkung des § 2116 BGB nicht erfasst würden, vielmehr unterliege das Betriebsvermögen in seiner Einheit und nicht in seinen einzelnen Gegenständen der Nacherbenbindung.[8] Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Die betriebliche Widmung einzelner Nachlassgegenstände lässt diese nicht zu einem Sondervermögen innerhalb des Nachlasses werden. Bei der Fortführung eines einzelkaufmännischen Unternehmens unterliegt der nicht befreite Vorerbe daher auch mit den Gegenständen des Betriebsvermögens den Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB. Für zum Anlagevermögen gehörende Wertpapiere ist eine dogmatische Rechtfertigung für eine Ausnahme von der Hinterlegungspflicht nicht erkennbar, denn der Vorerbe kann im Bedarfsfall die Zustimmung des Nacherben zu einer Veräußerung gem. § 2120 BGB erzwingen (siehe Rdn 6). Zum Umlaufvermögen gehörende Wertpapiere sind indessen bereits nach Abs. 1 S. 2 von der Hinterlegungspflicht ausgenommen, soweit es sich bei ihnen um verbrauchbare Sachen handelt.

 

Rz. 4

Der Vorerbe kann von der Hinterlegungspflicht gem. § 2136 BGB befreit werden. Sofern eine Befreiung nicht besteht, kann sich der Vorerbe der Hinterlegungspflicht nach § 2117 BGB entziehen.

[4] MüKo/Grunsky, § 2116 Rn 3.
[5] Staudinger/Avenarius, § 2116 Rn 9.
[6] RGRK/Johannsen, § 2116 Rn 5; nach MüKo/Grunsky, § 2116 Rn 4 gilt dies auch dann, wenn Nacherbe das Hinterlegungsverlangen bereits gestellt hat.
[7] Soergel/Harder-Wegmann, § 2116 Rn 3.
[8] Staudinger/Avenarius, § 2116 Rn 3.

C. Hinterlegungsstellen

 

Rz. 5

Die zulässigen Hinterlegungsstellen – die Amtsgerichte – bestimmen sich nach den Landesgesetzen. Eine Hinterlegung bei der "Deutschen Zentralgenossenschaftskasse" und der Deutschen Giroz...

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