Rz. 55

Ein Irrtum, der nach Errichtung der letztwilligen Verfügung eintritt, berechtigt nicht zur Anfechtung.[170] Denn durch spätere Irrtümer kann der Erblasser nicht zu einer bereits vorliegenden letztwilligen Verfügung bestimmt worden sein. Ein späterer Anschauungswandel muss daher unberücksichtigt bleiben. Wenn der Erblasser bspw. seine eigene religiöse Einstellung oder politische Überzeugung geändert hat, ohne seine letztwillige Verfügung zu widerrufen,[171] ist dies bedeutungslos, eine Anfechtung scheidet in diesem Falle aus. Eine derartige Fehlvorstellung, die nicht zur Anfechtung berechtigt, liegt auch dann vor, wenn der Erblasser die errichtete Verfügung vergessen hat und in der Annahme, dass ohnehin gesetzliche Erbfolge eintritt, eine neue letztwillige Verfügung nicht errichtet hat.[172] Dass der Erblasser sein Testament trotz Entdeckung des Irrtums nicht geändert hat, ist für sich allein jedoch kein Indiz für die fehlende Ursächlichkeit des Irrtums. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass es dem Erblasser lediglich aufgrund äußerer Umstände (Nachlässigkeit, Passivität, Scheu vor den Kosten, Krankheit, Kürze der zur Verfügung stehenden Lebenszeit) nicht möglich gewesen ist, sein Testament zu ändern.[173] Für den Fall, dass der Erblasser trotz späterer Kenntnis der wahren Sachlage sein Testament bewusst weiterbestehen lässt, scheidet eine Anfechtung somit i.d.R. aus. Es muss allerdings festgestellt werden, dass die Untätigkeit des Erblassers (trotz Kenntnis des Irrtums) nicht auf andere Gründe zurückzuführen ist (wie z.B. Vergessen der Verfügung, irrtümliche Annahme der Gegenstandslosigkeit der Verfügung, gesundheitliche Beeinträchtigung, Kürze der verfügbaren Lebenszeit usw.). Die bloße Nichtänderung der letztwilligen Verfügung nach Kenntnis vom Irrtum kann deshalb nur dann ein aussagekräftiger Umstand für die fehlende Erheblichkeit sein, wenn zusätzlich festgestellt wird, dass der Erblasser durch die genannten Umstände an einer Änderung nicht gehindert worden ist.[174]

[170] BGHZ 42, 327.
[172] BGHZ 42, 327.
[173] Staudinger/Otte, § 2078 Rn 30; BayObLG NJW-RR 2002, 367, 370.
[174] MüKo/Leipold, § 2078 Rn 52; Staudinger/Otte, § 2078 Rn 30.

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