Gesetzestext

 

(1)1Bei der Auseinandersetzung wird jedem Miterben der Wert der Zuwendung, die er zur Ausgleichung zu bringen hat, auf seinen Erbteil angerechnet. 2Der Wert der sämtlichen Zuwendungen, die zur Ausgleichung zu bringen sind, wird dem Nachlass hinzugerechnet, soweit dieser den Miterben zukommt, unter denen die Ausgleichung stattfindet.

(2)Der Wert bestimmt sich nach der Zeit, zu der die Zuwendung erfolgt ist.

1

 

§ 2056 Mehrempfang

1Hat ein Miterbe durch die Zuwendung mehr erhalten, als ihm bei der Auseinandersetzung zukommen würde, so ist er zur Herauszahlung des Mehrbetrags nicht verpflichtet. 2Der Nachlass wird in einem solchen Falle unter den übrigen Erben in der Weise geteilt, dass der Wert der Zuwendung und der Erbteil des Miterben außer Ansatz bleiben.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschriften regeln in ihrem Zusammenspiel den Vollzug des Ausgleichungsverfahrens.[1] Sie beruhen auf drei Grundsätzen:

(1) Es wird vermutet, der Erblasser habe dem Abkömmling die Zuwendung endgültig zugutekommen lassen wollen.[2]

(2) Nach Vollzug des Ausgleichs sollen die beteiligten Abkömmlinge wirtschaftlich gleichgestellt sein.[3]

(3) Hierzu wird fingiert, dass die Gegenstände, wie sie vom Erblasser lebzeitig zugewandt wurden, im Nachlass noch vorhanden seien und zur Verteilung anstünden.[4] Sind die Gegenstände in der Zwischenzeit untergegangen, befreit dies nicht von der Ausgleichungspflicht.[5] Zuwachs, Zinsen und Nutzungen bleiben ebenso außer Betracht.[6]

[1] Ausführlichste Darstellung m. zahlreichen Bsp. bei Bertolini, MittBayNot 1995, 109 ff.
[2] MüKo/Ann, § 2056 Rn 1.
[3] MüKo/Ann, § 2055 Rn 1.
[4] BGHZ 65, 75 = NJW 1975, 1831: "Es soll so angesehen werden, als würden sie die Werte, die sie schon früher empfangen haben und die sie zur Ausgleichung zu bringen haben, jetzt bei der Erbauseinandersetzung erhalten", ebd. 1832.
[5] Palandt/Weidlich, § 2055 Rn 1; vgl. auch unten Rdn 4.
[6] Staudinger/Löhnig, § 2055 Rn 10.

B. Berechnungsschritte

 

Rz. 2

Schritt 1: Bewertung der faktisch vorhandenen Teilungsmasse, also des Überschusses i.S.d. § 2047 Abs. 1 BGB. Hierbei kommt es nur auf den Geldeswert an; eine Unterscheidung zwischen Geld, Sachen und sonstigen Gegenständen ist nicht veranlasst.[7] Die Wertbestimmung erfolgt nach BGH auf den Stichtag des Erbfalls.[8] Demgegenüber halten zahlreiche und beachtliche Literaturstimmen den Zeitpunkt der Auseinandersetzung, also der Erbteilung, für maßgeblich.[9]

 

Rz. 3

Schritt 2: Ermittlung der Anteile der Ausgleichsbeteiligten an dieser Teilungsmasse, konkret: Ermittlung ihrer Quoten und Bezifferung des Geldbetrages, der sich als Anteil aller Ausgleichsbeteiligten an der Teilmasse ergibt. Der Erbteil des Miterben, der an dem Ausgleich nicht beteiligt ist, wird vorweg von der Teilungsmasse in der betreffenden Quote abgezogen.[10]

 

Beispiel

Teilungsmasse 100.000. Verheiratung des Erblassers im gesetzlichen Güterstand; zwei Abkömmlinge. Auf die Ehefrau entfällt ½ mit 50.000. Den Ausgleichsregeln unterliegen 2 × ¼ aus 100.000 entsprechend den restlichen 50.000.

 

Rz. 4

Schritt 3: Ermittlung des Wertes der Zuwendung zum Stichtag der Zuwendung, Abs. 2. Dies ist zunächst der Zeitpunkt des Rechtsübergangs.[11] Fehlt es an einer Wertbestimmung des Erblassers – die er durch Anordnung treffen kann[12] –, so gilt der objektive Verkehrswert.[13] Ob der Begünstigte Früchte (Nutzungen, Zinsen) gezogen hat, ob der Gegenstand zum Stichtag noch existierte, ob er eine Wertsteigerung oder -minderung erfuhr, ist unerheblich.[14] Der Wert etwaiger Gegenleistungen (namentlich Nießbrauch, Wohnrecht, Pflegeverpflichtung bei Grundstücksübertragungen) ist zu kapitalisieren und abzuziehen. In diesem Zusammenhang wird stets zu prüfen sein, ob derartige Rechte nicht die Annahme einer ausgleichungspflichtigen Zuwendung, namentlich einer Ausstattung, hindern (vgl. § 2050 Rdn 19 a.E.).

 

Rz. 5

Schritt 4: Der so ermittelte Wert ist auf den Stichtag des Erbfalls zu indexieren.[15] Maßgeblich ist der Index für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte ("Verbraucherpreisindex"; Basisjahr seit 1.1.2019: 2015 = 100).[16] Die Berechnung erfolgt nach der Formel: Wert zum Stichtag x Index neu : Index alt (soll die Steigerung als Prozentquote ermittelt werden: Index neu : Index alt × 100 – 100). Hat der Erblasser eine Wertbestimmung kraft Anordnung getroffen, ist davon auszugehen, dass er den nicht indexierten Nominalbetrag angerechnet wissen wollte.[17] Im Zweifel muss die Auslegung ergeben, ob die Geldentwertung nach seiner Vorstellung zu berücksichtigen war.[18]

 

Rz. 6

Schritt 5: Hinzurechnung aller auszugleichenden Zuwendungen zum Wert der Teilungsmasse, zum Ergebnis des Rechenschrittes 2; vgl. § 2055 Abs. 1 S. 2 BGB. Damit ist die Nachlassmasse fingiert, die sich zur Aufteilung unter den Abkömmlingen ergäbe, wenn die zugewandten Gegenstände noch vorhanden wären.

 

Rz. 7

Schritt 6: Ermittlung des – betragsmäßigen – Anteils der einzelnen Abkömmlinge am Ergebnis des Rechenschrittes (5). Dies stellt den "Erbteil" dar, auf den die Zuwendung i.S.d. § 2055 Abs. 1 S. 1 BGB anzurechnen ist.

 

Rz. 8

Sc...

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