Gesetzestext

 

(1)1Mit der Anordnung der Nachlassverwaltung verliert der Erbe die Befugnis, den Nachlass zu verwalten und über ihn zu verfügen. 2Die Vorschriften der §§ 81 und 82 der Insolvenzordnung finden entsprechende Anwendung. 3Ein Anspruch, der sich gegen den Nachlass richtet, kann nur gegen den Nachlassverwalter geltend gemacht werden.

(2)Zwangsvollstreckungen und Arreste in den Nachlass zugunsten eines Gläubigers, der nicht Nachlassgläubiger ist, sind ausgeschlossen.

A. Allgemeines

I. Grundsatz

 

Rz. 1

Im Anschluss an die Bestimmungen der Insolvenzordnung regelt die Vorschrift die unmittelbaren Folgen der Anordnung der Nachlassverwaltung; und zwar die materiell- und verfahrensrechtlichen Folgen der Anordnung der Nachlassverwaltung für Erben, Nachlassgläubiger sowie die Eigengläubiger des Erben. Ergänzt wird die Vorschrift durch die Bestimmungen der §§ 19751977 und 2000 BGB sowie der §§ 241, 246, 784 ZPO.[1] Während § 1984 BGB die Beschränkungen des Erben und der anderen Beteiligten regelt, wird die Rechtsstellung des Nachlassverwalters in § 1985 BGB festgelegt. Hat der Erbe sein Haftungsbeschränkungsrecht verloren (§ 1994 Abs. 1 S. 2 oder § 2005 BGB), finden die §§ 1976, 1977 Abs. 2, 1984–1988 BGB (gleichwohl) Anwendung, während die §§ 1976, 1977 Abs. 1, 1978–1980 BGB und § 784 Abs. 1 ZPO keine Anwendung finden.[2]

[1] MüKo/Küpper, § 1984 Rn 1.
[2] Staudinger/Dobler, § 1984 Rn 1.

II. Zeitpunkt

 

Rz. 2

Nach dem Wortlaut des Gesetzes tritt die Wirkung des § 1984 BGB "mit der Anordnung der Nachlassverwaltung" (Abs. 1 S. 1) ein. Die Wirksamkeit der Anordnung wird in der Vorschrift schlicht unterstellt. Nach der h.M. wird die Anordnung der Nachlassverwaltung mit der Bekanntmachung an den oder die Erben, den Testamentsvollstrecker oder den für unbekannte Erben bestimmten Nachlasspfleger wirksam (§§ 15, 40, 41 FamFG).[3] Bei mehreren Miterben treten die Rechtsfolgen des § 1984 BGB bereits mit der ersten Bekanntgabe an einen von ihnen ein.[4] Sollen allerdings alle Miterben nach § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB restlos ausgeschlossen werden, muss an alle Miterben bekannt gegeben werden.[5] Die Bestellung des Nachlassverwalters wird mit dessen förmlicher Verpflichtung nach den §§ 1915, 1789 BGB wirksam. Es entsteht zugleich das gesetzliche Schuldverhältnis zwischen dem/den Erben und dem Nachlassverwalter[6] und beginnen die vom Gesetz festgelegten Rechte und Pflichten desselben.[7]

[3] Staudinger/Dobler, § 1984 Rn 2; BeckOK BGB/Lohmann, § 1984 Rn 2; Erman/Horn, § 1984 Rn 2.
[4] Staudinger/Dobler, § 1984 Rn 3; BeckOK BGB/Lohmann, § 1984 Rn 2.
[5] Staudinger/Dobler, § 1984 Rn 3.
[6] BGHZ 17, 108.
[7] BVerfG NJW 1960, 811, 29/58.

B. Rechtsfolgen

I. Allgemeine Folgen

 

Rz. 3

Der Erbe verliert mit dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Anordnung der Nachlassverwaltung die Befugnis, den Nachlass zu verwalten und über den Nachlass zu verfügen (Abs. 1 S. 1). Das gilt auch für den Testamentsvollstrecker, dessen Amt zwar bestehen bleibt, dessen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse jedoch ebenfalls erlöschen; seine Befugnisse erhält er nach Aufhebung der Nachlassverwaltung in vorherigem Umfange wieder.[8] Die auf den Nachlass bezogenen Aufträge sowohl des Erblassers als auch des Erben erlöschen mit der Anordnung der Nachlassverwaltung (vgl. §§ 115 Abs. 1, 116 S. 1 InsO).[9] Mit dem Auftrag erlischt auch eine von dem Auftraggeber erteilte Vollmacht. Es finden insoweit jedoch die den Auftrag als fortbestehend fingierenden Regeln der §§ 672 S. 2, 674 BGB entsprechende Anwendung (vgl. auch § 115 Abs. 2 und 3 InsO).[10] Bei der Vollmacht sind stets auch die §§ 169173 BGB zu beachten. Höchstpersönliche Rechte, auch solche mit Bezug zum Nachlass, werden nicht betroffen. Diese kann der Erbe weiterhin ausüben. Zu diesen Rechten gehören z.B. auch Angelegenheiten, die die Rechtsstellung des Erblassers in seiner Eigenschaft als Gesellschafter eines Fonds unmittelbar berühren. Der Nachlassverwalter ist nicht befugt, persönliche Mitgliedschaftsrechte eines Gesellschafter-Erben in der Weise geltend zu machen, dass die Gesellschafterstellung des Erblassers bzw. des Erben beendet wird.[11]

 

Rz. 4

Das, was der Erbe an Befugnissen verliert, geht so auf den Nachlassverwalter über. Dieses wird im Gesetz zwar nicht eigens bestimmt, aber ist stets so angenommen worden, da es z.B. in den §§ 1985 Abs. 1, 1986 BGB konkludent vorausgesetzt wird. Im Einzelfall kann das auch ein "Mehr" sein, wenn nämlich der Erbe Vorerbe ist. Nach wohl h.M. ist § 2115 S. 2 BGB auch auf den Nachlassverwalter anwendbar.[12] Dem Erben bleibt, trotz des Verlustes des Verwaltungsrechts betreffend den Nachlass, das Recht, das Aufgebot der Nachlassgläubiger (§§ 1970 ff. BGB) ebenso erhalten wie das Recht zur Inventarerrichtung (§ 1993 BGB).[13]

[8] MüKo/Küpper, § 1984 Rn 2.
[9] Staudinger/Dobler, § 1984 Rn 4.
[10] Staudinger/Dobler, § 1984 Rn 4.
[11] OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 18.11.2011 – 19 U 68/11; vgl. auch BGHZ 47, 293; BGHZ 98, 48; OLG Hamm OLGZ 1993, 147 = Rpfleger 1993, 382 = OLGR Hamm 1993, 69 = MittRhNotK 1993, 73.
[12] OLG Braunschweig OLGZ 1988, 392; Staudinger/Dobler, § 1984 Rn...

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