Gesetzestext

 

Die Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten beschränkt sich auf den Nachlass, wenn eine Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger (Nachlassverwaltung) angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift bestimmt, dass sich die Haftung auf den Nachlass beschränkt, wenn die Nachlassverwaltung angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist. Damit legt das Gesetz einen wichtigen Grundsatz der Haftungsbeschränkung fest: die amtliche Nachlassabsonderung. Die Verwaltung des Nachlasses wird dem Erben im Falle der Nachlassverwaltung und des (fremdverwalteten) Nachlassinsolvenzverfahrens völlig entzogen und in die Hand des Nachlass- bzw. Insolvenzverwalters gelegt. Andererseits können die Nachlassgläubiger Befriedigung nur aus dem Nachlass suchen. Ist die Nachlassverwaltung angeordnet, können die Nachlassgläubiger ihre Ansprüche grundsätzlich nur gegen den Nachlassverwalter geltend machen (§ 1984 Abs. 1 S. 3 BGB). Das Gleiche gilt, wenn das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist.[1] Maßregeln der Zwangsvollstreckung, die zugunsten von Nachlassgläubigern in das Eigenvermögen des Erben erfolgt sind, sind auf den Antrag des Erben, der die Möglichkeiten, seine Haftung zu beschränken noch nicht verloren hat, aufzuheben (§ 784 Abs. 1 ZPO). Andererseits ist die Zwangsvollstreckung in den Nachlass zugunsten eines Eigengläubigers des Erben ausgeschlossen und kann auch der Nachlassverwalter die Aufhebung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die vor Anordnung der Nachlassverwaltung zugunsten von Eigengläubigern in den Nachlass erfolgt sind, aufheben lassen (§ 784 Abs. 2 ZPO). Im eröffneten Nachlassinsolvenzverfahren schützen die Bestimmungen der §§ 89 und 321 InsO den Nachlass.[2]

[1] Staudinger/Dobler, § 1975 Rn 6.
[2] Staudinger/Dobler, § 1975 Rn 6.

B. Tatbestand

I. Nachlassverwaltung

 

Rz. 2

Das Gesetz definiert die Nachlassverwaltung als "eine Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger" (§ 1975 BGB). Soweit im Gesetz nichts anderes bestimmt ist und soweit der besondere Zweck der Einrichtung nicht entgegensteht, finden die Vorschriften der Pflegschaft (§§ 1915 ff. BGB) Anwendung.[3] Der besondere Zweck der Befriedigung der Gläubiger unterscheidet die Nachlassverwaltung von der Pflegschaft. Mit der Anordnung der Nachlassverwaltung verliert der Erbe die Befugnis, den Nachlass zu verwalten und über Gegenstände des Nachlasses zu verfügen (§ 1984 Abs. 1 S. 1 BGB). Diese Befugnis geht auf den Nachlassverwalter über (§ 1985 BGB). Der Nachlassverwalter ist nicht der gesetzliche Vertreter des Erben, sondern Träger eines öffentlichen Amts (so die sog. Amtstheorie).[4]

 

Rz. 3

Voraussetzungen der Anordnung der Nachlassverwaltung sind ein zulässiger Antrag eines Antragsberechtigten an das Nachlassgericht (§ 1981 BGB) sowie eine den Kosten entsprechende Masse (§ 1982 BGB) und erfolgt durch Beschluss des Nachlassgerichts. Die Wirkungen der angeordneten Nachlassverwaltung ergeben sich aus den §§ 19751979, 1984 ff., 2000 BGB sowie den §§ 241 Abs. 3, 246 Abs. 1, 784 ZPO. Die Nachlassverwaltung endet mit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens (§ 1988 Abs. 1 BGB) oder durch Aufhebungsbeschluss des Nachlassgerichts.[5] Die Kosten der Nachlassverwaltung sind Nachlassverbindlichkeiten, für die der Erbe haftet (§ 24 Nr. 5 GNotKG).

 

Rz. 4

Die durch die Anordnung der Nachlassverwaltung eingetretene Beschränkung der Haftung des Erben auf den Nachlass bleibt auch nach Aufhebung der Nachlassverwaltung erhalten.[6]

[3] MüKo/Küpper, § 1975 Rn 3; Staudinger/Dobler, § 1975 Rn 18.
[4] MüKo/Küpper, § 1975 Rn 3.
[5] Zu den Aufhebungsgründen: Erman/Horn, § 1975 Rn 4, auch § 1988 Rn 2 und 3.
[6] BGH NJW 1954, 635 = JZ 1954, 332; BeckOK BGB/Lohmann, § 1975 Rn 6.

II. Nachlassinsolvenz

 

Rz. 5

Auch die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens führt zur Haftungssonderung. Das in der Insolvenzordnung geregelte Verfahren ist an die Stelle des Nachlasskonkurses und Nachlassvergleichsverfahrens getreten. Das Nachlassinsolvenzverfahren ist eines der Sonderinsolvenzverfahren. Es betrifft ausschließlich den Nachlass und nicht etwa (auch) das Eigenvermögen des Erben. Zuständig zur Entscheidung über die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ist nicht das Nachlassgericht,[7] sondern das Insolvenzgericht (§ 315 InsO), das ist das AG (§ 2 InsO) in dessen Bezirk der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen allg. Gerichtsstand hatte (§ 315 S. 1 InsO). Lag jedoch der Mittelpunkt einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Erblassers an einem anderen Ort, so ist das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt (§ 316 S. 2 InsO). Die Zuständigkeit ist ausschließlich.

 

Rz. 6

Antragsberechtigt ist nach § 317 InsO jeder Erbe, nach AG Dresden[8] jedoch nicht der Erbeserbe. Damit sind der vorläufige Erbe, der beschränkt oder wieder unbeschränkt haftende Erbe, der Vorerbe, solange der Nacherbfall noch nicht eingetreten ist, danach der Nacherbe, aber auch der Ersatzerbe, antragsberechtigt. Der die Erbschaft ausschla...

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