Gesetzestext

 

(1)Der Erbe haftet für die Nachlassverbindlichkeiten.

(2)Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören außer den vom Erblasser herrührenden Schulden die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift des § 1967 BGB bestimmt (zunächst) ohne jede Einschränkung, dass der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten haftet. Sie manifestiert damit den Grundsatz der unbeschränkten Erbenhaftung, die solange fortbesteht, bis es aufgrund einer Maßnahme des Erben (nach den §§ 1975 ff. BGB) oder eines Nachlassgläubigers zu einer Haftungsbeschränkung – auf den Nachlass – kommt.[1] Mit der Entscheidung für den Grundsatz der unbeschränkten Erbenhaftung wird zugleich bestimmt, womit der Erbe – ohne Beschränkung – haftet: mit seinem gesamten Vermögen (das sich aus dem Nachlass und seinem Eigenvermögen zusammensetzt).

 

Rz. 2

Während die §§ 19672017 BGB die Haftung des Erben – als Alleinerben – regeln, werden – für den viel häufiger in Betracht kommenden Fall der Miterbengemeinschaft – in den §§ 20582063 BGB sowie in § 15 HöfeO ergänzende Vorschriften normiert, die die Miterben betreffen. Hinzukommen betreffend die Regelung der Erbenhaftung Sondervorschriften für die Anordnung der Vor- und Nacherbfolge in den §§ 21442146 BGB.

 

Rz. 3

In § 1967 Abs. 1 BGB heißt es, dass "der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten haftet“. Mit dieser Feststellung will der Gesetzgeber nicht etwa den Gegensatz von Schuld und Haftung wiederaufleben lassen, sondern nur klar zum Ausdruck bringen, dass der Erbe schuldet und haftet.[2] Die Bezeichnung "Haftung" deutet jedoch zweierlei an; einmal, dass die Verbindlichkeit, jedenfalls i.d.R., in der Person des Erblassers begründet worden ist, und dass der Erbe in sie und für sie nur mit dem Erbfall eintritt, und zum anderen, dass der Erbe in unterschiedlichem Umfang und in verschiedener Weise für diese Verbindlichkeiten einstehen muss, dass seine Haftung unbeschränkt, beschränkbar oder schwächer und stärker beschränkt sein kann.[3] Durch die Beschränkung der Haftung erhält das Einstehen des Erben für die Erfüllung der Verbindlichkeit einen anderen Inhalt als das Einstehen des Erblassers."

 

Rz. 4

Bei der Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten stehen einander gegenüber das Interesse der Nachlassgläubiger, das des Erben und das seiner eigenen Gläubiger. Dabei steht das Interesse der Nachlassgläubiger im Vordergrund. Sie können Befriedigung aus dem Nachlass fordern und verdrängen in diesem Umfang den Erben und dessen Eigengläubiger.[4] Das Interesse des Erben verlangt, dass er zwar mit dem zugewonnenen Nachlass, nicht aber mit seinem eigenen Vermögen haftet. Die Gläubiger des Erben treten demgegenüber in den Hintergrund; sie können auch nach dem Erbfall Befriedigung aus dem Eigenvermögen des Erben vor den Nachlassgläubigern verlangen, Befriedigung aus dem Nachlass aber erst nach den Nachlassgläubigern.

[1] MüKo/Küpper, § 1967 Rn 1.
[2] Erman/Horn, § 1967 Rn 1, 2.
[3] Palandt/Weidlich, Einführung zu § 1967 Rn 2 u. 3.
[4] MüKo/Küpper, Vor § 1967 Rn 1 u. 2.

B. Tatbestand der Norm

I. Allgemeines

 

Rz. 5

Während § 1967 Abs. 1 BGB den Grundsatz der unbeschränkten Erbenhaftung festlegt, bestimmt § 1967 Abs. 2 BGB den Begriff der Nachlassverbindlichkeiten, und zwar unvollständig.[5] Es wird dort lediglich zwischen den "von dem Erblasser herrührenden Schulden" (sog. Erblasserschulden) und denjenigen unterschieden, die den Erben als solchen treffen (sog. Erbfallschulden). Eine weitere Gruppe von Verbindlichkeiten tritt hinzu, nämlich die der Erbschaftsverwaltungs- oder Nachlasskosten (sog. Nachlasserbenschulden). Eine Verbindlichkeit des Erben, die nicht eine Nachlassverbindlichkeit ist, wird im allg. als Eigenverbindlichkeit oder Erbenschuld bezeichnet.[6] Auf derartige Verbindlichkeiten finden die Bestimmungen über Nachlassverbindlichkeiten keine Anwendung. Zu beachten ist, dass auch die Eigengläubiger des Erben auf den Nachlass zugreifen können, wenn nicht die Nachlassverwaltung (vgl. § 1984 Abs. 2 BGB, § 784 Abs. 2 ZPO) angeordnet bzw. das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist. Einschränkungen hinsichtlich der Möglichkeiten des Zugriffs der Eigengläubiger auf den Nachlass ergeben sich für die erste Zeit nach dem Erbfall auch aus § 783 ZPO.[7]

[5] MüKo/Küpper, § 1967 Rn 2.
[6] Staudinger/Dobler, § 1967 Rn 4.
[7] Vgl. Gottwald/Mock, Zwangsvollstreckung, § 783 Rn 1 u. 2.

II. "Vom Erblasser herrührende Schulden" (Erblasserschulden)

 

Rz. 6

Als Erblasserschulden werden diejenigen Verbindlichkeiten angesehen, die schon vor dem Eintritt des Erbfalls in der Person des Erblassers entstanden waren, darüber hinaus solche, die zwar erst nach dem Erbfall voll entstehen, deren wesentliche Entstehungsgrundlagen schon vor dem Erbfall gesetzt waren.[8] Für die Schulden des Erblassers haftet der Erbe selbstverständlich nur, soweit diese überhaupt vererblich sind.[9] Voraussetzung zur Einordnung der Verbindlichkeiten des Erblassers in die Gruppe der Erblasserschulden ist deshalb stets, dass die einzelne Verbindlichkeit vererblic...

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