Gesetzestext

 

(1)Wer durch Verfügung von Todes wegen als Erbe berufen ist, kann, wenn er ohne die Verfügung als gesetzlicher Erbe berufen sein würde, die Erbschaft als eingesetzter Erbe ausschlagen und als gesetzlicher Erbe annehmen.

(2)Wer durch Testament und durch Erbvertrag als Erbe berufen ist, kann die Erbschaft aus dem einen Berufungsgrund annehmen und aus dem anderen ausschlagen.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Schon § 1944 Abs. 2 BGB macht deutlich, dass der Grund der Berufung für Annahme und Ausschlagung wesentliche Bedeutung hat. § 1948 BGB regelt insoweit konsequent, dass Berufungen zum gewillkürten oder gesetzlichen Erben getrennt angenommen oder ausgeschlagen werden können. In dieser Regelung spiegelt sich auch die erhebliche gestalterische Funktion von Annahme und Ausschlagung wider (vgl. § 1942 Rdn 1). Das Tatbestandsmerkmal des Berufungsgrundes prägt das gesamte Recht der Ausschlagung, ohne dass dies bei den einzelnen Normen – insbesondere § 1944 BGB – näher konkretisiert wird. Der Umfang wird deswegen unterschiedlich beurteilt. Auf Grund einer systematischen Auslegung ist es vorzugswürdig, § 1948 BGB die Legaldefinition für den "Berufungsgrund" – insbesondere i.S.d. §§ 1944, 1949 BGB – zu entnehmen und dabei auf den konkreten Erbtatbestand abzustellen. Danach sind zunächst das gesetzliche und das gewillkürte Erbrecht (Verfügung von Todes wegen), unterteilt in einseitige (Testament) und zweiseitige Verfügungen (Erbvertrag), unterschiedliche Berufungsgründe.[1] Bei dem gesetzlichen Erbrecht bilden die konkreten Erbrechte aufgrund von Ehe oder Verwandtschaft nochmals verschiedene Berufungsgründe.[2] Liegen mehrere Testamente oder mehrere Erbverträge vor, so liegen auch hierin unterschiedliche Berufungsgründe.[3]

[1] BGH ZErb 2000, 232, 233; BayObLG NJW 1953, 1431 f.; Erman/J. Schmidt, § 1948 Rn 1; MüKo/Leipold, § 1944 Rn 4; Staudinger/Otte, § 1944 Rn 8; RGRK/Johannsen, § 1949 Rn 1; a.A. z.B. Soergel/Stein, § 1944 Rn 10; vgl. auch die Abgrenzung bei § 1949 Rdn 2 und § 1951 Rdn 2; i.E. kommen jedoch beide Auffassungen meist zu gleichen Ergebnissen.
[2] MüKo/Leipold, § 1944 Rn 7; Kipp/Coing, § 88 II 2.
[3] MüKo/Leipold, § 1944 Rn 7.

B. Tatbestand

I. Wahlrecht zwischen gesetzlichem und gewillkürtem Erbrecht (Abs. 1)

1. Tatbestandsvoraussetzungen

 

Rz. 2

Das Wahlrecht zwischen gesetzlichem Erbrecht aufgrund der §§ 1922 ff. BGB und gewillkürtem Erbrecht – sei es aufgrund Testaments oder Erbvertrages – beruht auf Abs. 1. Das Wahlrecht ist dahin ausgestaltet, dass wahlweise (nur) das gewillkürte Erbrecht ausgeschlagen werden kann, welches nach § 1937 BGB vorrangig ist. Voraussetzung des Wahlrechts nach Abs. 1 ist, dass der Erklärende aufgrund der §§ 1922 ff. BGB Erbe wird, wenn er die Berufung aufgrund Testaments oder Erbvertrages ausschlägt. Diese Voraussetzung ist jedoch nur selten erfüllt. Vor allem wegen des Vorranges der letztwilligen Verfügung (§ 1937 BGB) kann eine Auslegung des Erblasserwillens ergeben, dass der Erbe nicht gesetzlicher Erbe werden sollte. In der Praxis bedeutsam sind ferner § 2069 BGB, wonach die Abkömmlinge an die Stelle des Ausschlagenden treten, und § 2094 BGB, wonach der Erbteil des Ausschlagenden den Miterben anwächst. Des Weiteren sind §§ 2096, 2102 Abs. 1 BGB zu beachten. Standardfall des Abs. 1 bleibt daher die Ausschlagung des kinderlosen Alleinerben. In der Praxis stellt eine Ausschlagung nur des gewillkürten Teils daher ein beachtliches Risiko dar und bedarf der sorgfältigen Prüfung, da das gesetzliche Erbrecht nach §§ 1922 ff. BGB nur in Ausnahmefällen an die Stelle des ausgeschlagenen gewillkürten Erbteils tritt. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Ausschlagung des gewillkürten Erbrechts in Erwartung der gesetzlichen Erbschaft unbeachtlicher Motivirrtum für den Fall ist, dass ein Dritter tatsächlich gesetzlicher Erbe wird. Eine Anfechtung (§ 1954 BGB) ist insoweit ausgeschlossen.[4]

[4] Soergel/Stein, § 1948 Rn 2.

2. Rechtsfolgen/Vorteile der Ausübung des Wahlrechts

 

Rz. 3

In der Rechtsfolge der Ausübung des Wahlrechts steht die Berufung zum gesetzlichen Erben, die als Vorteile den Erhalt des Voraus nach § 1932 BGB oder von Ausgleichsansprüchen nach § 2050 BGB mit sich bringen kann.[5] Beim Ehegattentestament kann der Überlebende seine Bindung nach § 2271 Abs. 2 BGB (wechselseitige Verfügung) beseitigen.[6] Im Übrigen bleiben jedoch etwa Vermächtnisse oder Auflagen im Zweifel wirksam (§§ 2161, 2192 BGB). Für die Pflichtteilslast gelten §§ 2320, 2324 BGB. Bedeutung hat das Wahlrecht ferner, wenn Belastungen durch den Erblasser nur für den eingesetzten Erben gelten oder für die Fälle des § 2095 BGB (besonderer Erbteil bei Anwachsung).[7]

 

Rz. 4

Auch § 2085 BGB (teilweise Unwirksamkeit) ist bei einer Ausschlagung anwendbar[8] und bekommt erhebliche Bedeutung, wenn das Testament für weitere Erben Bestand hat und damit mittelbar das gesetzliche Erbrecht des Ausschlagenden und der Miterben beeinflusst. Im Vergleich zwischen dem zugewendeten Erbteil und dem gesetzlichen Erbteil eines Miterben ist bei Ausübung des Wahlrechts deswegen zu bedenken, dass der gesetzliche Erbteil nicht größer als der ausgeschlagene zugewendete Erbteil sein kann, da die anderen eingesetzten Miterben den Ausschl...

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