Rz. 5

Die Erbschaft fällt dem berufenen Erben grundsätzlich mit Eintritt des Erbfalls (Tod des Erblassers) an. Der Erbschaftsanfall vollzieht sich kraft Gesetzes von selbst, sodass es auf das Wissen und Wollen des Erben nicht ankommt. Der "berufene Erbe" ist der durch Testament oder Erbvertrag benannte Erbe (§ 1937 BGB) oder der gesetzliche Erbe (§§ 1923 ff. BGB). Dabei unterscheidet man zunächst den vorläufigen und den endgültigen Erben. Der vorläufige Erbe ist derjenige Erbe, für den die Erbschaft noch nicht als angenommen i.S.v. § 1943 BGB gilt. Der endgültige Erbe ist derjenige Erbe, der die Erbschaft angenommen hat oder für den die Erbschaft nach § 1943 BGB als angenommen gilt. Der vorläufige Erbe kann sich noch auf besondere gesetzliche Schutzinstrumente berufen (so z.B. §§ 207, 211, 1953 Abs. 2, 1958, 1995 Abs. 2 BGB oder §§ 239 Abs. 5, 778 ZPO).[6] Der endgültige Erbe kann eine Beschränkung seiner Haftung dagegen nur noch in eingeschränktem Maße herbeiführen (so kann der Erbe z.B. die Nachlassverwaltung (§§ 1975, 1981 BGB), die Nachlassinsolvenz (§§ 1975, 1980 BGB) oder die Unzulänglichkeitseinrede (§ 1990 BGB) – prozessual über § 780 ZPO – geltend machen).

 

Rz. 6

Zu einem zeitlichen Auseinanderfallen von Erbfall und Erbschaftsanfall kommt es bei Berufung eines im Zeitpunkt des Erbfalls bereits gezeugten, aber erst nach dem Erbfall lebend geborenen Kindes (nasciturus). Der Anfall der Erbschaft erfolgt erst mit der Geburt des Kindes, wirkt aber auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurück (vgl. § 1923 Abs. 2 BGB). Dasselbe gilt für eine erst nach dem Tode des Erblassers als rechtsfähig anerkannte Stiftung (§§ 83, 84 BGB). Der Anfall der Erbschaft an eine ausländische juristische Person, die ihren Sitz außerhalb der Europäischen Union hat, könnte grundsätzlich gem. Art. 86 EGBGB von einer Genehmigung abhängig gemacht werden (derzeit nicht der Fall). Auch eine solche nachträgliche Genehmigung würde nach vorzugswürdiger Ansicht als vor dem Erbfall erteilt gelten,[7] sodass die Erbschaft rückwirkend mit dem Erbfall anfällt. In der Praxis ergeben sich jedoch auch nach den in der Lit. vertretenen Gegenauffassungen regelmäßig keine Unterschiede, da die Ausschlagungsfrist erst mit Kenntnis von der Genehmigung beginnen soll (vgl. § 1944 Rdn 5).

 

Rz. 7

Keine Rückwirkung kommt dagegen der Nacherbschaft zu. Die Erbschaft fällt dem Nacherben erst mit Eintritt des Nacherbfalls an. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Vorerbe (wahrer) Erbe des Erblassers, sodass für eine Rückwirkung weder Platz ist noch rechtliche Notwendigkeit besteht.[8]

[6] Palandt/Weidlich, § 1942 Rn 2; Staudinger/Otte, § 1942 Rn 13.
[7] MüKo/Leipold, § 1942 Rn 9; a.A. KGJ 50, 71, 73; Staudinger/Otte, § 1942 Rn 6.
[8] MüKo/Leipold, § 1942 Rn 11.

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